BG Klinikum Bergmannstrost Halle: Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch Pflegefachpersonen
Am BG Klinikum Bergmannstrost Halle ist erstmals eine Absolventin des Modellstudiengangs „Evidenzbasierte Pflege“ der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg für die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten qualifiziert.
12.04.2023
BG Klinikum Bergmannstrost Halle
Felix Schmidt, Hanna Brachwitz
Neue Arbeitsteilung und Prozessgestaltung
Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch Pflegefachpersonen
Projektanlass
Die Strategie des BG Klinikums Bergmannstrost Halle ist die Einbindung akademisierter Pflegekräfte mit erweiterten Kompetenzen in der direkten Patientenversorgung. 2016 startete die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg den Modellstudiengang „Evidenzbasierte Pflege“, der erweiterte Kompetenzen für die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten bei Patient:innen mit Diabetes mellitus Typ I und chronischen Wunden nach § 63 Abs. 3c SGB V lehrt. Die Heilkundeübertragung erfolgt nach bestandener Prüfung auf die Absolventen des Studiengangs. Nach der Initiativbewerbung einer Absolventin wurde daher die Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten durch eine Pflegefachperson erstmals erprobt.
Projektumsetzung
Nach der Einstellung wurde ein 15-monatiges Traineeprogramm speziell für die Einarbeitung entwickelt. Dabei wurden die ersten 6 Monate im Schichtdienst zum Kennenlernen der Arbeitsabläufe am Klinikum, des Stationsalltags und der Kolleg:innen auf der allgemeinchirurgischen Station genutzt. In den nächsten 9 Monaten wurde die Absolventin im Tagdienst gezielt fortgebildet und allmählich auf die Übernahme der eigenständigen Wundversorgung vorbereitet.
Es folgte der Einsatz auf der allgemeinchirurgischen und gefäßchirurgischen Station im Tagdienst mit der Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten im Rahmen der Versorgung chronischer Wunden, insbesondere des diabetischen Fußsyndroms. Dabei wird die konservative Wund-behandlung stationärer Patient:innen, die ambulante Nachsorge, Kontrolle und konservative Weiterbehandlung sowie die Beratung der Patient:innen hinsichtlich Ernährung und Lebensstil übernommen.
Projektbeurteilung
Die Absolventin arbeitet als Bindeglied zwischen Pflege und Ärzteschaft und stellt eine konstante Ansprechpartnerin für alle Berufsgruppen dar. Die Wundversorgung bei den Patient:innen wird so im ganzheitlichen Sinne betrachtet, von Aufnahme bis zur Entlassung. Die Patient:innen profitieren davon, dass stets dieselbe Person ihre Wunden betreut und sie ebenfalls einen kontinuierlichen Ansprechpartner haben. Auch die Mitarbeitenden des Ärztliche Dienstes schätzen diese neue Kompetenz im Klinikum und nutzen ihre Expertise.
Anschrift | BG Klinikum Bergmannstrost Halle Merseburger Straße 165 06112 Halle (Saale) |
Klinikleitung | Geschäftsführer: Thomas Hagdorn |
Webseite | www.bergmannstrost.de |
Ansprechpartner:in der Maßnahme | Felix Schmidt, Pflegefachbereichsleiter felix.schmidt@bergmannstrost.de Hanna Brachwitz, Pflegexpertin Chronische Wunden |
Anzahl der Betten im gesamten Krankenhaus: | 571 |
Ärzt:innen insgesamt (außer Belegärzte): | 249 Vollkräfte |
Pflegepersonal | |
Gesundheits- und Krankenpfleger:innen: | 448 Vollkräfte |
Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:innen | 20 Vollkräfte |
Altenpfleger:innen: | 10 Vollkräfte |
Ausgangslage
Einbindung akademisierter Pflegefachkräfte in der direkten Patientenversorgung als mittelfristige Strategie der Pflegedirektion
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg startete 2016 den Modellstudiengang „Evidenzbasierte Pflege“:
- Der Studiengang vermittelt erforderliche (erweiterte) Kompetenzen für die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten bei Patient:innen mit Diabetes und chronischen Wunden nach § 63 Abs. 3c SGB V.
- Der Studiengang schließt mit den Abschlüssen Bachelor of Science und der Berufszulassung als Pflegefachperson – und beinhaltet nach zusätzlicher Prüfung die Erlaubnis, heilkundliche Tätigkeiten auszuüben, auf der rechtlichen Grundlage der Delegation.
Am Projekt beteiligte Berufsgruppen/Personen
Pflegedirektion, Stationsleitung, Chefärzte, Oberärzte, Stationsärzte
Externe Projektförderung und Kooperationen
Keine externe Projektförderung
Ziele
- Verbesserung der Betreuung der Wundversorgung
- Verbesserung der Nachsorge
- Erhöhung der Lebensqualität bei betroffenen Patient:innen
- Einbinden der erweiterten Kompetenzen der Pflegenden, die im Studium erworben wurden, in den klinischen Alltag
- Erhöhung der Pflegestellen mit Bachelor und Heilkundeübertragung
Eingeführte Maßnahmen
- Absolventin hatte sich initiativ am Klinikum beworben.
- Nach der Einstellung wurde ein Traineeprogramm speziell für die Einarbeitung entwickelt:
- 6 Monate Schichtdienst, um die Arbeitsabläufe am Klinikum, den Stationsalltag und die Kolleg:innen auf der allgemeinchirurgischen Station kennenzulernen.
- 9 Monate Tagdienst (7:00-15:00 Uhr): gezielte Fortbildungen, um Wissen zu Wundbehandlungen auszubauen (z. B. Wundexperte ICW, Wundversorgung mittels Total-Contact-Cast), Hospitationen in unterschiedlichen Bereichen des Klinikums, die mit chronischen Wunden konfrontiert sind, allmähliche Übernahme eigenständiger Tätigkeiten.
- Einsatz auf allgemeinchirurgischer und gefäßchirurgischer Station im Tagdienst (7:00-15:00 Uhr), ggf. konsiliarisch auf anderen Stationen und damit Konstante innerhalb des Schichtsystems.
- Ausübung heilkundlicher Tätigkeiten im Rahmen der Versorgung chronischer Wunden, insbesondere des diabetischen Fußsyndroms.
- Übernahme konservativer Wundbehandlung stationärer Patient:innen;
- Übernahme ambulanter Nachsorge, Kontrolle und konservativer Weiterbehandlung (in ambulanter Sprechstunde);
- Beratung der Patient:innen hinsichtlich Ernährung und Lebensstil;
- Untersuchung und Dokumentation des Haut- und Wundzustandes, Blutentnahme zur Routinediagnostik und Verlaufskontrolle, Planung einzuleitender Interventionen.
- Vorgehen im Wundmanagement wird gemeinsam mit Stationsärzt:in festgelegt, eigenständiges Treffen von Therapieentscheidungen in der konservativen Wundversorgung.
- Mittels klinikinterner Arbeitsgruppe der Wundmanager:innen werden neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft in den Stationsalltag integriert.
- Unterstützung pflegerischer und ärztlicher Kolleg:innen durch Fachexpertise.
- Teilnahme an Stations- und Chefarztvisiten.
Auswirkungen der Neuerungen auf die Berufsgruppen und das Klinikum
- Interprofessionelles Zusammenarbeiten zieht sich durch das gesamte Klinikum und weitet sich aus:
- z. B. Einrichten eines interprofessionellen Journal Clubs;
- Folgeprojekt: Road of Error: Patientenaufnahmepfad wird interprofessionell mit Fehlern bestückt: Rettungsdienst, Pflege, Medizin gehen auf Fehlersuche und lernen gemeinsam voneinander.
Übernahme in die Regelversorgung
- Ja
- Erhöhung der Pflegestellen mit Bachelor und Heilkundeübertragung
- Absolventin arbeitet als Bindeglied zwischen Pflege und Ärzteschaft und stellt konstante Ansprechpartnerin für alle Berufsgruppen dar.
- Wundversorgung wird so im ganzheitlichen Sinne betrachtet von Aufnahme bis zur Entlassung.
- Patient:innen profitieren davon, dass immer dieselbe Person ihre Wunden betreut.
- Evaluation zu Dekubitalgeschwüren wird derzeit durchgeführt.
- Mitarbeitende des Ärztlichen Dienstes schätzen diese neue Kompetenz im Klinikum und nutzen die Expertise.
Zukünftige Entwicklungen
- Traineeprogramm für neue Kolleg:innen wurde nach erster Erfahrung überarbeitet: 24 Monate bestehen jetzt aus Einarbeitungs-, Entwicklungs- und Ausübungsphase.
- Es gibt die Überlegung, die vorhandene Expertise zukünftig auf Masterniveau ANP zu heben, das Klinikum hat jährlich Stipendien für Pflegende zur Unterstützung von berufsbegleitenden Studien