Balance Familie und Beruf – Kinder und Senioren

Das Städtische Klinikum Wolfenbüttel versucht seit einigen Jahren, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Balance von Familie und Beruf zu ermöglichen. Die Verantwortlichen gehen dabei von einem weit gefassten Familienbegriff aus, so können Familienbezüge sowohl Partnerschaften mit Kindern als auch nachbarschaftliche oder wohngemeinschaftliche Kontakte umfassen.

Datum:

14.04.2011

Ort:

Städtisches Klinikum Wolfenbüttel gGmbH

Interviewpartner:

Ralf Harmel, Pflegedirektor

Themenkategorie:

„Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf“

Maßnahme:

Balance von Familie und Beruf – Kinder und Senioren

Projektanlass

Seit 2005 gibt es in Wolfenbüttel ein „Lokales Bündnis für Familie“, in dem das Klinikum, verschiedene kommunale Institutionen (Familien- und Kinderservicebüro, Seniorenservicebüro, Jugendamt, Gesundheitsamt), Schulvertreter und die Aufsicht für Kindertagesstätten (Kitas) miteinander vernetzt sind. Es werden verschiedene Aktionen gemeinsam geplant und durchgeführt. Dazu gehören Ferienaktionen, Besuche der Kita-Kinder im Klinikum und beim Rettungshubschrauber oder Besuche von Krankenhausmitarbeitern in den Kitas ebenso wie Tage der offenen Tür des Klinikums und Führungen für Kinder. Diese Aktionen werden auch als Teil des Marketings verstanden, da durch eine Öffnung des Klinikums eventuell bestehende Barrieren reduziert werden können.

In Bezug auf Arbeitszeiten und Einsatzgebiete wurde innerbetrieblich versucht, auf individuelle Bedürfnisse der Mitarbeiter, die entweder Kinder oder Senioren zu betreuen hatten, einzugehen. Zu diesem Zeitpunkt fehlte aber noch ein Gesamtkonzept.

Im Jahre 2008 entschlossen sich die Pflegedirektion und andere mit diesem Thema betraute Personen, die Aktivitäten und Projekte zur Ausbalancierung von Familie und Beruf innerhalb des Klinikums systematischer anzugehen. Das Städtische Klinikum Wolfenbüttel wurde Mitglied im Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“ und nimmt seither an der Kampagne des Marburger Bunds „Für ein familienfreundliches Krankenhaus“ teil.

Projektumsetzung

Die Aktivitäten des Klinikums zum Thema „Balance von Familie und Beruf“ beziehen sich sowohl auf das oben erwähnte kommunale Netzwerk als auch auf innerbetriebliche Erleichterungen für Mitarbeiter. Die einzelnen Angebote werden von einer offenen Projektgruppe initiiert, geplant und begleitet. Offen bedeutet hier, dass Interessierte auch temporär bei der Projektgruppe mitarbeiten können. Von einer Verpflichtung von Vertretern eines jeden Bereichs des Klinikums wurde Abstand genommen. Wichtig bei der Besetzung der Projektgruppe ist das persönliche Engagement. So sind in der Projektgruppe sowohl ständige Mitarbeiter aktiv als auch solche, die z. B. aus einer persönlichen Betroffenheit heraus zeitweilig mitarbeiten wollen. Die Mitglieder der Projektgruppe besuchen regelmäßig Austauschtreffen des Netzwerks „Erfolgsfaktor Familie“. Leiter der Projektgruppe ist Pflegedirektor Ralf Harmel, welcher sich hier vor allem als Sprachrohr in der Geschäftsführung versteht, so kann er die Ideen der Projektgruppe der Geschäftsführung zeitnah vermitteln. Mittlerweile sind verschiedene Ideen realisiert worden.

Patenschaften

Mitarbeiter, deren familiäre Umstände sich durch Elternschaft ändern, wird eine sog. Patenschaft angeboten. Mitglieder der Projektgruppe übernehmen die Patenschaften und suchen den Mitarbeiter auf. Der Kontakt wird stets persönlich hergestellt und findet grundsätzlich in der Arbeitszeit statt. Wenn jedoch Gründe bestehen, wie z.B. Mitarbeiter nicht arbeitsfähig sind, dann wird auch privat außerhalb der Arbeitszeit der Kontakt hergestellt. Die Patinnen und Paten klären den Unterstützungsbedarf, erläutern die Unterstützungsangebote und leiten mögliche Maßnahmen ein. Die Angebote sind breit gefächert und reichen von der Unterstützung bei behördlichen Angelegenheiten über eine Vermittlung von Betreuungsstellen bis hin zum beratenden Gespräch, bei dem eventuell bestehende Wünsche und Ängste, den beruflichen Werdegang betreffend, reflektiert werden können. Die Entwicklung von individuell angepassten Arbeitsbedingungen, wie Veränderung der wöchentlichen Arbeitszeit, bedarfsgerechte Dienstzeiten oder der kurzfristige Einsatz in anderen Bereichen wird, wenn der Mitarbeiter einverstanden ist, in der Projektgruppe beraten und dann von den direkten Vorgesetzten umgesetzt.

Mittagessen zum Mitnehmen

Nachdem von einigen Mitarbeitern rückgemeldet wurde, dass für ein geregeltes, häusliches Mittagessen die Übergabezeiten hinderlich seien, entstand die Idee, Mittagessen zum Mitnehmen anzubieten. Bei einer Befragung gaben ca. 20 Mitarbeitern an, sie würden dieses Angebot in Anspruch nehmen, also werden die erforderlichen Bedingungen nun dafür geschaffen. An der Essensausgabe der hauseigenen Küche können demnächst selbst zusammengestellte Portionen erworben und in speziellen Styroporbehältnissen mitgenommen werden.

Ferienbetreuung für Mitarbeiterkinder

Auslöser für dieses Projekt waren Rückmeldungen von Mitarbeitern, dass die Betreuung ihrer Kinder an Brückentagen und in den Ferien manchmal problematisch sei. Eine hausinterne zeitweise Betreuung der Kinder sollte geschaffen werden. Da für die Betreuung der Kinder kein externes Personal eingestellt, die Betreuung aber solide aufgestellt werden sollte, entschied sich das Klinikum, eigene Mitarbeiter im Rahmen der Kindertagespflege (§§ 22 bis 26 Achtes Buch Sozialgesetzbuch) zu sogenannten Tagespflegepersonen schulen zu lassen. Bisher haben fünf Mitarbeiter diese Schulung absolviert. Für einen zusätzlichen Lehrgang gibt es weitere Bewerber. Das Klinikum finanziert die Schulung, die Mitarbeiterinnen setzen die dafür notwendige Zeit ein. Die geschulten Mitarbeiterinnen führen dann die Betreuungsangebote in den Räumen des Klinikums durch. Die Betreuungszeit wird als reguläre Arbeitszeit bewertet. 2012 wurde eine Woche als Testlauf in den Ferien und an den sog. Brückentagen angeboten. Seit 2013 werden kontinuierlich über das ganze Jahr verteilt Zeiten der Betreuung angeboten.

Die Idee, eine Kita in Kooperation mit anderen schichtarbeitenden Institutionen (Polizei, Feuerwehr) zu etablieren, erwies sich als nicht durchführbar, da eine dafür notwendige Förderung nicht zustande kam. Eine eigene Kita im Haus würde nicht genügend angenommen werden, da die Mitarbeiter des Klinikums teilweise längere Fahrzeiten zu ihrem Arbeitsplatz in Kauf nehmen, aber eine wohnortnahe Unterbringung ihrer Kinder bevorzugen.

Pflegeberatung für Mitarbeiter

Die Mitarbeiter der hausinternen Sozialberatung bieten Angestellten, die Angehörige pflegen, Beratungen an. Je nach Bedarf beinhalten diese die Informationsweitergabe zu den unterschiedlichen Betreuungsangeboten bis hin zur Vermittlung von Plätzen für stationäre Pflege.

Projektbeurteilung

Insgesamt werden die Ergebnisse der Projektarbeit als sehr positiv erlebt. Durch die lokale Vernetzungsarbeit ist die Präsenz von Kindern und Jugendlichen, auch von Mitarbeitern, in der Klinik alltäglich geworden. Das Prinzip der Patenschaften in Verbindung mit der Projektgruppe ermöglicht den Betroffenen schnelle, individuell angepasste Lösungen, die über den kurzen Dienstweg abgeklärt werden können, da sowohl Vertreter der Personalabteilung und des Betriebsrats Mitglieder der Projektgruppe sind.
Der Verzicht der Projektgruppe, sich als „Closed Shop“ zu organisieren, ermöglicht ein breites Bündnis, was von den ständigen Mitgliedern zwar Flexibilität und kontinuierliche Reflexion erfordert, jedoch immer wieder auch neue Impulse mit sich bringt.

2011 wurde dem Klinikum beim „FamilienfreundlichkeitsCheck“ des Netzwerkbüros „Erfolgsfaktor Familie“ bescheinigt, dass es auf dem richtigen Weg ist. Das Audit „Beruf und Familie“ wurde in 2012 absolviert und das Zertifikat der berufundfamilie gGmbH wurde 2013 erteilt.

Name des Krankenhauses
Anschrift:Städtisches Klinikum Wolfenbüttel gGmbH
Alter Weg 80
38302 Wolfenbüttel
Klinikleitung:Geschäftsführer
Joachim Kröger

Ärztlicher Direktor
Prof. Dr. Heinrich Keck

Pflegedirektor
Ralf Harmel

Verwaltungsdirektor
Klaus Salge
Ansprechpartner der Maßnahme:Ralf Harmel
05331/934-2001
ralf.harmel@khwf.de
Struktur- und Leistungsdaten
Anzahl der vollstationären Planbetten300
Anzahl der ärztlichen MitarbeiterInnen81
Anzahl der Gesundheits- und KrankenpflegerInnen185
Anzahl der Gesundheits- und KinderkrankenpflegerInnen4,6
Projektmotivation/-vorbereitung

Plannungen im Vorfeld

Einzelne Projekte werden von einer Projektgruppe initiiert, geplant und begleitet.

Ausgangslage

Ein regionales „Bündnis für Familie“ ermöglicht eine umfassende Netzwerkarbeit, gemeinsame Aktionen machen das Klinikum für ihre Kundschaft bekannter und zugänglicher.
Bisherige interne Aktivitäten des Klinikums zu diesem Thema waren abhängig von den jeweiligen Personen, die die Entscheidungsbefugnis hatten. Zu diesem Zeitpunkt gab es kein Gesamtkonzept.

An der Planung beteiligte Berufsgruppen/Personen

Projektgruppe

Externe Projektförderung

keine vorhanden

Projektumsetzung

Ziele

  • Bei der zu beobachtbaren Leistungsverdichtung soll eine Atmosphäre geschaffen werden, bei der die MitarbeiterInnen sich zu Hause fühlen, sich mit Ihren individuellen familiaren Bedingungen gesehen und unterstützt fühlen, sodass sie auch in schwierigen Zeiten dem Klinikum treu bleiben.
  • Aktivitäten zu Familie und Beruf sollen im Klinikum bekannter und für alle MitarbeiterInnen zugänglicher werden.
  • Pflege als klassischer Frauenberuf in Verbindung mit traditionellen Strukturen in den Familien führen dazu, dass viele Mitarbeiterinnen in der Pflege mit der Kinderbetreuung oder auch der Betreuung zu pflegender Angehörige konfrontiert sind. Um einem Fachkräftemangel vozugreifen, versucht das Städtische Klinikum Wolfenbüttel gerade auch für diese Mitarbeiterinnen attraktiv zu sein. Durch die besondere Lage Wolfenbüttels an der Grenze zwischen Niedersachsen und Sachsen-Anhalt besteht momentan noch kein Fachkräftemangel.

Zielgruppe

  • Alle MitarbeiterInnen des Klinikums

Elementare Konzeptbestandteile

  • Entwicklung einer Intranetseite zum Thema „Balance Familie und Beruf“
  • Mitglied im Unternehmensnetzwerk „Erfolgsfaktor Familie“
  • Teilnahme an der Kampagne des Marburger Bunds „für ein familienfreundliches Krankenhaus“  

Verfahren einzelner Projekte

  • Patenschaften: Ein Mitglied der Projektgruppe übernimmt die Patenschaft eines/ einer von Elternschaft betroffenen Mitarbeiters/in, gemeinsam in der Projektgruppe werden individuelle Lösungen entwickelt.
  • Ferienbetreuung: MitarbeiterInnen wurden zu Tagesmüttern (Kindertagespflege) ausgebildet. Diese übernehmen die Betreuung der Kinder von MitarbeiterInnen während ausgewählten Zeiten.
  • Mittagessen: MitarbeiterInnen können in der hauseigenen Küche Mittagessen kaufen und mitnehmen.

Projektdauer

  • Projekt-Patenschaften: seit einigen Jahren etabliert
  • Projekt-Ferienbetreuung: 2011 Probelauf
  • Projekt- Mittagessen: Seit 2011 eingeführt

Projektgruppe

  • Ständige Mitglieder: Pflegedirektor, stellvertretende Pflegedirektorin, zwei Stationsleitungen, eine Ärztin, ein Vertreter aus der Personalabteilung, ein Betriebsratsmitglied, eine Mitarbeiterin aus der Küche. Zusätzlich temporäre Mitglieder aus allen Bereichen.
Projektbeurteilung

Ausgangsanalyse

  • Zu den einzelnen Projekten wird der Bedarf erfragt.

Evaluation der Maßnahme

  • Alle Projekte werden einzeln evaluiert.
  • Familienfreundlichkeitscheck wurde 2011 durchgeführt.
  • Das Audit „Beruf und Familie“ ist für 2011 geplant

Evaluationsergebnisse

  • Projekt-Patenschaften: wird überwiegend positiv angenommen.
  • Projekt-Ferienbetreuung: Für die Ausbildung zur Tagespflegerin haben sich ausreichend MitarbeiterInnen beworben.
  • Projekt-Mittagessen: Zu diesem Zeitpunkt waren noch keine Ergebnisse vorhanden.
Zielerreichungsgrad

Rückblickend besonders erfolgreich/gelungen

  • Die Patenschaften werden positiv erlebt. Durch den direkten Kontakt mit den Betroffenen sind die Mitglieder der Arbeitsgruppe immer wieder gefordert zu reflektieren, was die MitarbeiterInnen wirklich wollen.
  • Durch das Projekt der Ferienbetreuung werden die MitarbeiterInnen gefordert eigenes Engagement einzubringen. Es fördert eine gegenseitige Verbindlichkeit.

Rückblickend erfolglos/nicht gelungen

  • Eine eigene Kita ins Haus zu holen.

Förderliche Faktoren

  • Sehr gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat, Möglichkeit auf dem kurzen Dienstweg, Lösungen zu entwickeln, da großes Spektrum von MitarbeiterInnen aus den unterschiedlichen Bereichen in der Projektgruppe ist.

Hemmende Faktoren

  • Großer persönlicher Einsatz der Mitglieder der Projektgruppe, welche manchmal an die Grenzen ihrer Kräfte kommen, vor allem gegenüber einer ausgeprägten Erwartungshaltung mancher MitarbeiterInnen.
Eingeführte Maßnahme

Größte Auswirkung

  • Verbesserte Kommunikation unter den Berufsgruppen durch die Erfahrung, gemeinsam Lösungen entwickeln zu können. Erhöhtes Vertrauen in gegenseitige Verbindlichkeit.
Publikation der Maßnahme