HIPSTA – Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungsstation
Am Universitätsklinikum Heidelberg arbeiten auf der ersten deutschen interprofessionellen Ausbildungsstation Pflege, Medizin und Physiotherapie seit 5 Jahren auf Augenhöhe zusammen.
03.04.2023
Universitätsklinikum Heidelberg
Birgit Trierweiler-Hauke
Neue Arbeitsteilung und Prozessgestaltung
HIPSTA – Heidelberger Interprofessionelle Ausbildungsstation
Projektanlass
Die Idee zum HIPSTA-Konzept brachten Medizinstudierende 2016 nach einem Praktikum im Karolinska-Universitätskrankenhaus in Stockholm mit nach Heidelberg. Diese waren begeistert vom Konzept und überzeugten die Klinikleitung sowie auch die Robert-Bosch-Stiftung zu einer begleitenden Anschubfinanzierung. Im April 2017 startete dann die erste HIPSTA in Deutschland.
Projektumsetzung
Die HIPSTA-Ausbildungsstation ist mit einem eigenen Büro, welches auch als Besprechungsraum fungiert, in eine chirurgische 36-Betten-Station integriert. Seit April 2017 versorgen dort 4 Medizinstudierende im Praktischen Jahr zusammen mit 4 Pflegeauszubildenden im 3. Lehrjahr zunächst 6 und mittlerweile 8 Patient:innen im Früh- und Spätdienst jeweils über einen Zeitraum von 4 bis 5 Wochen. Seit August 2019 sind auch Auszubildende der Physiotherapie im Frühdienst Teil des HIPSTA-Teams. Die gemeinsame Patientenversorgung wird von Lernbegleitenden und Praxisanleitenden aller Berufsgruppen unterstützt.
Projektbeurteilung
Ein Vergleich von HIPSTA-Patient:innen mit Patient:innen einer konventionellen chirurgischen Station hat gezeigt, dass die Patientensicherheit bei HIPSTA-Patient:innen nicht beeinträchtigt ist und die mittlere Dauer des Krankenhausaufenthaltes bei HIPSTA-Patient:innen sogar signifikant kürzer ist.
Die teilnehmenden Auszubildenden und Studierenden arbeiten zufriedener miteinander und erfahren in ihrer täglichen Arbeit, dass alle Berufsgruppen gleich wichtig für die Patientenversorgung sind und nur wirklich gut zusammenarbeiten.
Anschrift | Universitätsklinikum Heidelberg Im Neuenheimer Feld 672 69120 Heidelberg |
Klinikleitung | Vorstandsvorsitzender, Leitender Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Ingo Autenrieth Kaufmännische Direktorin: Katrin Erk Pflegedirektor: Edgar Reisch |
Webseite | https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/ |
Ansprechpartner:in der Maßnahme | Birgit Trierweiler-Hauke, stellv. Leiterin Pflegedienst und Servicebereiche, Pflegeleitung HIPSTA, birgit.trierweiler-hauke@med.uni-heidelberg.de |
Anzahl der Betten im gesamten Krankenhaus: | 1421 |
Ärzt:innen insgesamt (außer Belegärzte): | 1452 Vollkräfte |
Pflegepersonal | |
Gesundheits- und Krankenpfleger:innen: | 1400 Vollkräfte |
Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger:innen: | 289 Vollkräfte |
Ausgangslage
- Die Idee zum HIPSTA-Konzept brachten Medizinstudierende 2016 nach einem Praktikum im Karolinska-Universitätskrankenhaus in Stockholm mit nach Heidelberg.
- Diese überzeugten die Klinikleitung vom Konzept und auch die Robert-Bosch-Stiftung von einer begleitenden Anschubfinanzierung.
- Im April 2017 startete dann die erste HIPSTA in Deutschland.
Am Projekt beteiligte Berufsgruppen/Personen
- Lenkungsgruppe aus: Pflegedirektion, Ärztlicher Direktor, Leitung und Lehrkräfte der Berufsfachschulen für Pflege, Medizinstudierende, Auszubildende in der Pflege (ab Herbst 2022 auch Pflegende als Studierende), Stationsleitungen, Institut für Versorgungsforschung (Pflegeforschung)
Externe Projektförderung und Kooperationen
- Projektförderung für das erste Jahr durch die Robert-Bosch-Stiftung (Stellen der Hardware und Praxisanleiter:innen), Austausch mit anderen Projekten
Ziele
- Aktive Teilnahme an interaktiven Diskussionen und Reflexionen (Medizin und Pflege) im Behandlungsteam.
- Aktives Interesse, von, mit und über andere Professionen zu lernen.
- Verantwortungsübernahme für Patientenbehandlung.
- Erbringen zielführender Vorschläge für Pflege, medizinische Behandlung und Rehabilitation der Patient:innen.
- Zusammenfassen und Weitergabe von relevanten Informationen innerhalb des Teams zu Patient:innen, Angehörigen und anderem Personal sowie des Behandlungsverlaufs unter Berücksichtigung der Erfahrungen des gesamten Teams.
- Priorisierung gemeinsamer Aufgaben im Behandlungsteam und fristgerechte Erledigung.
- Partnerschaftliche Einbeziehung von Patient:innen und Angehörigen in die Behandlung.
Eingeführte Maßnahmen
- Die HIPSTA-Ausbildungsstation ist in eine chirurgische 36-Betten-Station integriert.
- Seit April 2017 (erste HIPSTA) versorgen 4 Medizinstudierende im Praktischen Jahr (PJ) zusammen mit 4 Pflegeauszubildenden im 3. Lehrjahr zunächst 6 mittlerweile 8 Patient:innen (Früh- und Spätdienst) jeweils über einen Zeitraum von 4 bis 5 Wochen.
- Seit August 2019 sind auch Auszubildende der Physiotherapie Teil des HIPSTA-Teams: 2 Auszubildende im Frühdienst im Team mit 2 PJ und 2 Pflegeauszubildenden (im Spätdienst keine Auszubildenden der Physiotherapie).
- Nach 2 Wochen wird die Zusammensetzung der Teams getauscht.
- Mittlerweile gibt es auch noch eine weitere HIPSTA am Zentrum für Psychosoziale Medizin.
- Das Ausbildungsteam startet mit einem Einführungstag:
- Schwerpunkte dabei sind Patientensicherheit, interprofessionelle Rollen und Kommunikation, Reanimations- und Visitentraining sowie Dokumentation.
- Die gemeinsame Patientenversorgung wird von Lernbegleitenden und Praxisanleitenden (Ärztlicher Dienst und Pflege) unterstützt.
- Das HIPSTA-Team hat ein eigenes Büro, welches auch als gemeinsamer Besprechungsraum genutzt wird.
- HIPSTA-Tagesablauf:
- Gemeinsame Übernahme der Patient:innen um 6:50 Uhr aus dem Nachtdienst (Pflegeauszubildende, Medizinstudierende, Lernbegleitende aus Pflege und Medizin).
- In der Nacht übernehmen die Pflegenden der chirurgischen Station, in die die HIPSTA integriert ist, die Versorgung der Patient:innen.
- Durchführung gemeinsamer Visiten (Zusammensetzung siehe oben):
- Kurzer Statusbericht zum/r Patient:in vor dem Zimmer der Pflege.
- Der PJ berichtet aktuelle Untersuchungsergebnisse, dann werden gemeinsam Themen besprochen, die nicht vor dem/r Patient:in besprochen werden sollen.
- Im Zimmer stellt die Pflege dann den/die Patient:in vor und berichtet über den Verlauf, ggf. ergänzt die Auszubildende der Physiotherapie.
- Der PJ führt die Visite und fragt den/die Patient:in nach dem Befinden. Es wird mit und nicht über den/die Patient:in gesprochen.
- Nach der Visite erfolgt ein gemeinsames interprofessionelles Assessment (weiteres Vorgehen, Entlassung).
- Für die strukturierte Weitergabe klinischer Informationen wird das (I)SBAR-Schema angewendet.
- Interprofessionelle Aufgaben: Übernahme aus Nachtdienst, Visiten, Erstellung des Behandlungsplans, Aufnahme und Entlassung, Besprechungen und Fortbildungen, Themen: Mobilisierung, Ernährung, Wundversorgung und Hygiene.
- Fachspezifische/monoprofessionelle Aufgaben:
- Pflege: OP- und Dialysefahrten, Mahlzeiten austeilen und Ernährungssituation einschätzen, Pflege und Unterstützung der Patient:innen gemäß der Pflegeplanung, Ausarbeitung des Visitenbeschlusses, pflegerische Tagesplanung, Assessments.
- Medizinstudierende: Patientenuntersuchung, Blutentnahme, Vorbereitung der Visiten, Konsile anmelden, Labore und Befunde checken, Arztbriefe erstellen usw.
- Rolle der Lernbegleitenden:
- Nicht agieren – sondern beobachten und Fragen stellen!
- Vorbild, Motivator und Patientenfürsprecher.
- Aktives Eingreifen nur, wenn es um die Patientensicherheit geht. Begleitung der Auszubildenden und Medizinstudierenden mit unterstützenden Fragen.
- Besprechung der pflegerischen Tagesplanung mit den Auszubildenden und punktuelle Anleitung pflegerischer Tätigkeiten (ersetzt nicht die Praxisanleitung).
- Wöchentliche Feedbackgespräche zur Kommunikation und regelmäßige Supervisionen.
Übernahme in die Regelversorgung
- Ja
HIPSTA läuft ganzjährig außer Weihnachten und Neujahr, mittlerweile die 57. Kohorte
- Vergleich von 232 HIPSTA-Patient:innen gegenüber 465 Patient:innen einer konventionellen chirurgischen Station:
- Patientensicherheit bei HIPSTA-Patient:innen nicht beeinträchtigt;
- kein signifikanter Unterschied in der Sterblichkeit zwischen den Gruppen;
- mittlere Dauer des Krankenhausaufenthaltes bei HIPSTA signifikant kürzer;
- seltener Re-Operationen bei HIPSTA-Patient:innen.
- Mittlerweile existieren interprofessionelle Stationen in 15 deutschen Kliniken.
- Patient:innen fühlen sich sehr gut betreut.
- Begleitforschung zeigt, dass interprofessionelle Skills aufgebaut werden (Prä-Post-Design), aber auch wieder abnehmen (nach 6 Monaten), wenn Arbeitsweise geändert wird.
- Interprofessionalität muss weiter verstetigt werden, ist in Deutschland noch nicht sehr weit verbreitet.
Rückblickend als besonders erfolgreich betrachtet
- Positive Entwicklung: Dinge, die auf der Station getestet wurden, gehen in andere Stationen ein, z. B. Entwicklung eines gemeinsamen (elektronischen) Verlaufbogens.
- Vollständige Veränderung der Visitendurchführung.
- Verständnis bei den Teilnehmenden entwickelt: keiner weiß alles! Wir kommen weiter, wenn wir uns gegenseitig unterstützen.
- Berufsgruppen arbeiten zufriedener miteinander.
Rückblickend als weniger erfolgreich betrachtet
- EDV muss noch nachentwickelt werden