Serviceassistenten: Qualifizierte Hotelfachkräfte übernehmen Aufgaben im Patienten-Service

Am Universitätsklinikum Heidelberg werden qualifizierte Hotelfachkräfte nach einer spezifischen Schulung im stationären Speisenmanagement und Patienten-Service eingesetzt. Durch das neue Berufsprofil sollen das Pflegefachpersonal entlastet, die Patienten- und Serviceorientierung gestärkt und die Patientenzufriedenheit verbessert werden.

Datum:

12.08.2010, Aktualisierung 31.12.2014

Ort:

Universitätsklinikum Heidelberg

Interviewpartner:

Edgar Reisch, Pflegedirektor | Ronald Eichstädter, Pflegedienstleiter

Themenkategorie:

„Neue Arbeitsteilung und Prozessgestaltung“

Maßnahme:

Einsatz von Hotelfachkräften als Serviceassistenten in den stationären Bereichen, ausgenommen Intensivstationen

Projektanlass
Die derzeitige Personalmarktentwicklung und Aufgabenverdichtung veranlasste den Vorstand der Universitätsklinik Heidelberg, nach neuen Lösungsansätzen in Hinblick auf Aufgabenneustrukturierung bzw. -verlagerung in den stationären Bereichen („Heidelberger Weg“) zu suchen. In diesem Zusammenhang entstand die Idee, Serviceassistentinnen und Serviceassistenten für das stationäre Speisenmanagement und den Patientenservice zu qualifizieren und einzusetzen, um damit den Pflegedienst von Tätigkeiten aus der Hauswirtschaft, dem Service und dem Speisenmanagement zu entlasten. Zwischenzeitliche Versuche, Mitarbeiter des Versorgungsdienstes als Serviceassistenten zu qualifizieren und einzusetzen, führten allerdings zu negativen Erfahrungen.

Projektumsetzung
In einer schriftlich dokumentierten Tätigkeitsbeschreibung wurden Tätigkeitsmerkmale, Verantwortungsbereiche und organisatorische Über- und Unterstellung festgehalten. Parallel dazu entwickelte die Akademie für Gesundheitsberufe Heidelberg gGmbH eine Weiterbildungsmaßnahme für die Zusatzqualifikation zur Serviceassistentin bzw. zum Serviceassistenten. Zugangsvoraussetzung für die Qualifizierungsmaßnahme ist eine abgeschlossene Hotelfachausbildung.

Projektbeurteilung
Die Projektunterstützung durch den Klinikumsvorstand und das Interesse der Pflegedienstleitungen an der Maßnahme erwiesen sich als förderlich für das Gelingen des Projekts. Die Hotelfachkräfte wurden nach erfolgreichem Abschluss der Zusatzqualifikation im Service für Patienten direkt in den stationären Bereichen eingesetzt. Es fand keine Pilotphase statt. Anfängliche Vorbehalte gegenüber den Serviceassistenten von Seiten der Pflegefachkräfte lösten sich nach positiven Erfahrungen auf.
Systematische Evaluationsergebnisse liegen keine vor. Beobachtungen weisen auf positive Reaktionen der Patienten auf die Serviceassistenten hin: das patienten- und serviceorientierte Verhalten der Hotelfachkräfte trägt dazu bei, dass die Patienten sich stärker als Kunden mit ihren Wünschen und Bedürfnissen wahrgenommen fühlen. So findet die individuelle Menüauswahl, das professionelle Servieren der Speisen ebenso Zuspruch wie die Zubereitung von frischem Obst. Edgar Reisch, Pflegedirektor der Universitätsklinik Heidelberg betont, dass für den Einsatz als Serviceassistentin bzw. -assistent nur qualifizierte Hotelfachkräfte in Frage kommen. Sie verfügten über die richtige Einstellung und das professionelle Auftreten. Durch sie bekomme der Prozess der Speisenbestellung und -servierung eine bedeutende Rolle und der Pflegedienst werde entlastet und könne sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren.

Die Hotelfachkräfte wurden mittlerweile bereits auf mehreren Stationen im Klinikum als Servicemitarbeiter eingesetzt. Die Fluktuation in diesem Aufgabenfeld wird als gering eingestuft und spricht für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und erfolgreiche Etablierung des Models.

Name des Krankenhauses
AnschriftUniversitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56-0
KlinikleitungKlinikumsvorstand
Leitender Ärztlicher Direktor, Vorstandsvorsitzender
Professor Dr. Dr. h.c. J. Rüdiger Siewert

Kaufmännische Direktorin
Dipl.-Volkswirtin Irmtraut Gürkan

Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg
Professor Dr. Claus R. Bartram

Pflegedirektor
Edgar Reisch
Webseitewww.klinikum.uni-heidelberg.de
Ansprechpartner der MaßnahmeEdgar Reisch, Pflegedirektor
Tel.: 06221 / 56-8988
Edgar.Reisch@med.uni-heidelberg.de
Ronald Eichstädter, Pflegedienstleiter
Tel.: 06221 56 4766
Ronald.Eichstaedter@med.uni-heidelberg.de
Leistungs- und Strukturdaten – Kennzahlen 2009
Anzahl Planbetten1.621
Ärztinnen/Ärzte (außer Belegärztinnen/Belegärzte)1.154,6
Anzahl Gesundheits- und KrankenpflegerInnen (VK)1.358,1
Anzahl Gesundheits- und KinderkrankenpflegerInnen (VK)477,2
Projektmotivation/-vorbereitung

Ausgangslage:

  • Personalmarktentwicklung: Nachwuchsprobleme in der Pflege
  • Der Pflegedienst im stationären Bereich ist neben seinen Kernaufgaben auch für die Organisation und Ausführung von Tätigkeiten aus der Hauswirtschaft, dem Service und dem Speisenmanagement verantwortlich.
  • negative Erfahrungen mit dem zwischenzeitlichen Versuch, MitarbeiterInnen des Versorgungsdienstes als ServiceassistentInnen zu qualifizieren und einzusetzen
  • Interesse der Pflegedienstleitungen an der Einführung unterstützender Maßnahmen in den Kliniken
  • Suche nach neuen Lösungen

Planungen im Vorfeld:

  • Strategieklausur mit den Pflegedienstleitungen
  • Idee der Aufgabenverlagerung und -neustrukturierung im stationären Bereich ("Heidelberger Weg")

An der Planung beteiligte Berufsgruppen/Personen:

  • Pflegedirektor
  • Pflegedienstleitungen
  • Personalrat (phasenweise)

Externe Projektförderung:

Nein

Projektumsetzung

Ziele:

  • Entlastung des Pflegefachpersonals
  • Stärkung der Patienten- und Serviceorientierung
  • Verbesserung der Patientenzufriedenheit

Neu eingeführte Aufgaben/Prozesse:

  • ServiceassistentInnen aus dem Hotelfach sind für stationäres Speisenmanagement und Patientenservice verantwortlich
  • Servicemitarbeiter übernehmen patientenferne Teilaufgaben der Pflege

Elementare Konzeptbestandteile:

  • Qualifikation:
    • Abgeschlossene Hotelfachausbildung
    • Zusatzqualifikation zur/zum ServiceassistentIn
  • schriftlich dokumentierte Tätigkeitsbeschreibung
  • Qualifizierungsprogramm:
    • Unterrichtseinheiten: 120 Stunden, praxisbegleitend
    • Dauer: 16 Wochen
    • Abschluss: praktische und mündliche Prüfung, Ausstellung eines Befähigungsnachweises
  • Tätigkeitsumfang:
    • Montag bis Freitag: Betreuung von ca. 36 PatientInnen
    • Samstag und Sonntag/Feiertag: Betreuung von ca. 70 PatientInnen
  • Kernarbeitszeit: 8:00 – 16:00 Uhr
  • Ausfallkonzept: etagenweise gegenseitige Vertretung der ServiceassistentInnen
  • Dienstkleidung: Servicekleidung des Hotelfachs
  • Equipment: Servier- und Getränkewagen

Veränderte Aufgaben/Prozesse:

Ablaufoptimierung durch Verlagerung von Aufgaben

Für welche Berufsgruppen ergaben sich Veränderungen:

Pflegedienst

Auswirkungen für die Berufsgruppe

  • Pflege kann sich verstärkt auf Kernaufgaben konzentrieren
  • Ressourcen des Pflegepersonals können stärker patientenorientiert eingesetzt werden

Auswirkungen auf das Klinikum

mehr Patienten- und Serviceorientierung

Neue Berufsprofile:

Berufsprofil "ServiceassistentIn“

Organisatorische Unter-/Überstellung:

Die Verantwortung für den Einsatz und die Aufgabenverteilung der ServiceassistentInnen liegt bei der Stationsleitung bzw. Pflegedienstleitung.

Interaktive Teameinbindung:

  • regelmäßige Teilnahme der ServiceassistentInnen an den Dienstübergaben der Pflege
  • Weiterentwicklung und Arbeit an den Schnittstellen der verschiedenen Berufsgruppen
  • Gute Kommunikation und Organisation der Prozesse als Schlüssel zur Integration der Hotelfachkräfte als Servicemitarbeiter.

Motivation der Stelleninhaber des neuen Tätigkeitsprofils:

  • Vergütung: höheres Einkommen als im Hotel- und Gaststättengewerbe
  • Arbeitszeiten: 38,5 Stunden-Woche, tariflich geregelt
  • Arbeitsvertragslaufzeit: unbefristete Arbeitsverträge

Erweiterte Aufgaben/Zuständigkeiten:

  • Check-in der PatientInnen:
    • PatientInnen in Empfang nehmen und auf das Patientenzimmer bringen
    • Einräumen des Gepäcks
    • Einweisung in das Patientenzimmer: Erklärung des Patientenrufes und der technischen Ausstattung
  • Speisenmanagement:
    • Erfassung und Bestellung der Speisen sowie Stornierung von Speisen entlassener PatientInnen (die Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme bleibt in der Zuständigkeit der Pflegekräfte)
    • professionelles Anrichten, Nachgarnieren, Anbieten und Servieren von Speisen und Getränken
    • Abräumen des Geschirrs und dessen Entsorgung
  • Unterstützungsmaßnahmen:
    • Herrichten der Betten mobiler PatientInnen
    • Aufräumen des Patientenzimmers und des Bettplatzes, Pflege der Blumen
    • Erledigung kleiner Botengänge
  • Check-out der PatientInnen:
    • Hilfe beim Richten des Gepäcks
    • Fahrplanauskunft öffentlicher Verkehrsmittel, Organisation von Taxifahrten
    • Begleitung zum Ausgang und Verabschiedung
  • Nach der Entlassung:
    • Austausch gebrauchter Utensilien auf dem Patientenzimmer
  • Bestellung und Lagerhaltung
    • Bewirtschaften der stationären Teeküche
    • Verwaltung der Wäschebestände auf Station

Projektverlauf:

  • Festlegung des Tätigkeitsprofils
  • Beauftragung der Akademie für Gesundheitsberufe Heidelberg gGmbH mit der Entwicklung eines Qualifizierungsprogramms
  • Erstellung der Stellenausschreibung
  • Durchführung des Personalauswahlverfahrens unter Beachtung der Auswahlkriterien bei der Stellenbesetzung
  • Qualifizierung von 18 angehenden ServiceassistentInnen aus dem Hotelfach an der Akademie für Gesundheitsberufe Heidelberg gGmbH
  • Einsatz aller qualifizierten ServiceassistentInnen in der Regelversorgung, ohne Pilotphase

Projektdauer:

Zwei Jahre

Projektgruppe:

keine Projekt- oder Arbeitsgruppe, nur auf Grundlage einer Vorstandsentscheidung

Projektbeurteilung
Ausgangsanalyse:liegt nicht vor
Evaluation der Maßnahme:keine spezifische Evaluation
Evaluationsergebnisse:Beurteilung nicht möglich, da keine systematischen Daten vorhanden
Zielerreichungsgrad:Beurteilung nicht möglich, da keine systematischen Daten vorhanden
Beurteilung der Maßnahme durch PatientInnen:Beurteilung nicht möglich, da keine systematischen Daten vorhanden
Beurteilung der Maßnahme durch andere Berufsgruppen:Beurteilung nicht möglich, da keine systematischen Daten vorhanden

Übernahme der Maßnahmen in die Regelversorgung:

  • keine Pilotierung, sofortige Umsetzung

Rückblickend besonders erfolgreich/gelungen:

  • ServiceassistentInnen treffen die Menüauswahl gemeinsam mit den PatientInnen, insb. der ärztlich angeordneten diätetischen Speisen
  • Die Hotelfachkräfte wurden als Servicemitarbeiter bereits auf mehreren Stationen im Klinikum eingesetzt. Diese Mitarbeiter wurden speziell für diesen Bereich durch eine interne Weiterbildung geschult und vorbereitet.
  • Die Fluktuation in diesem Aufgabenfeld wird als gering eingestuft und spricht für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit und erfolgreiche Etablierung des Models

Rückblickend erfolglos/nicht gelungen:

  • Vertretung der ServiceassistentInnen durch den Pflegedienst hat sich aufgrund von Doppelbelastung nicht bewährt
  • Besetzung der Stellen durch Mitarbeitende, die keine Hotelfachausbildung haben

Empfehlungen aufgrund der Erfahrung:

  • Rekrutierung der ServiceassistentInnen nur aus ausgebildeten Hotelfachkräften, da diese durch ihre Qualifikation über
    • die entsprechende Einstellung
    • ein professionelles Auftreten
    • und Fremdsprachkenntnisse
    verfügen

Förderliche Faktoren:

  • Förderung des Projektes durch den Klinikvorstand
  • Interesse der Pflegedienstleitungen an der Maßnahme
  • Zusatzqualifizierung: Schulung der Hotelfachkräfte im Service für PatientInnen

Hemmende Faktoren:

  • Der hohe Beliebtheitsgrad der ServiceassistentInnen bei den PatientInnen kann zu Konflikten mit anderen Berufsgruppen führen.
  • Noch nicht abgeschlossene Prozesse bei der Entwicklung eines neuen Rollenverständnisses der Pflegefachkräfte können bei diesen anfängliche Vorbehalte gegenüber den ServiceassistentInnen verursachen.
Eingeführte Maßnahme

Größte Auswirkung:

  • Stärkung der Patienten- und Serviceorientierung durch:
    • Wahrnehmung der PatientInnen als Kunden
    • Registrieren von Patientenbedürfnissen und Wünschen
  • Verbesserung der Patientenzufriedenheit durch
    • individuelle Menüauswahl
    • Zubereitung und Angebot von frischem Obst
  • Entlastung des Pflegepersonals

Größte Veränderung:

  • Prozess der Speisenbestellung und -servierung bekommt eine bedeutende Rolle durch eigenen Tätigkeitsbereich und zusätzliche Zeitressourcen