Arbeiten 5.0 – Harmonisierung von Dienstzeiten und Prozessen

Mit dem Projekt Arbeiten 5.0 am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf kann das Pflegefachpersonal seine Arbeitszeiten flexibler gestalten. Es wird angestrebt, die Arbeitszufriedenheit sowie die Work-Life-Balance der Pflegenden zu steigern und die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen den Professionen zu stärken.

Datum:

07.11.2024

Ort:

Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

Interviewpartner:

Ulrike Mühle, Christine Navarro

Themenkategorie:

„Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf“

Maßnahme:

Arbeiten 5.0 – Harmonisierung von Dienstzeiten und Prozessen

Projektanlass

Die Personalpolitik des UKE setzt sich seit über 10 Jahren für eine Stärkung der Pflege ein, um die Arbeitszufriedenheit des Pflegefachpersonals zu steigern und dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern. Die Projektidee zur Anpassung der Arbeitszeiten des Pflegefach-personals und die Optimierung von Prozessen ist 2017 entstanden, um die persönlichen Bedürfnisse der Pflegenden im Klinikalltag mehr zu berücksichtigen und somit mehr qualifiziertes Pflegefachpersonal an das UKE zu binden und zu gewinnen.

Projektumsetzung

Die Pilotphase startete im Oktober 2021, worauf im Anschluss ein Roll-Out auf die bettenführenden Stationen begonnen hat. Aktuell wird das neue Dienstzeitmodell auf allen bettenführenden Stationen angewendet, im weiteren Verlauf werden aktuell weitere Bereiche, u.a. Funktionsbereiche wie Anästhesie, OP, Zentralambulanzen und Tageskliniken, d.h. alle Bereiche wo pflegenahe Berufsgruppen arbeiten, mit aufgenommen. Die Projektphase wird durch die Universität Hamburg wissenschaftlich evaluiert.

Projektbeurteilung

Die Evaluation während der Pilotphase des Projektes hat gezeigt, dass Pflegefachpersonen das Angebot der flexiblen Dienstzeiten nutzen und schätzen. Seit Projektstart sind nun alle bettenführenden Bereiche und weitere Ambulanzbereiche in das Modell eingebunden. Zudem wurde die Möglichkeit der Einflussnahme und die Zufriedenheit des Pflegefachpersonals erhöht. Darüber hinaus hat sich der Austausch zwischen den Berufsgruppen, durch die veränderten Arbeitszeiten des Pflegefachpersonals verbessert. Bedingt durch die weitere Förderung der TK bis 2027 erfolgen weitere Ausweitungen des Dienstzeitmodells als auch die Bearbeitung weiterer Themen, die aus dem Projekt entstanden sind (z.B. Mobile Arbeit)

Name der Einrichtung
AnschriftUniversitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)
Martinistraße 52
20246 Hamburg
GeschäftsführungÄrztlicher Direktor
Prof. Dr. med. Christian Gerloff
Direktor für Patienten- und Pflegemanagement
Joachim Prölß
Dekanin
Prof. Dr. Blanche Schwappach-Pignataro
Kaufmännische Direktorin
Corinna Wriedt
Websitehttp://www.uke.de
Ansprechpartner:in der MaßnahmeUlrike Mühle, M.A. Gesundheitsförderung & Prävention, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Zentrum für Anästhesiologie und Intensivmedizin / Zentrales OP-Management,
E-Mail: u.muehle@uke.de

Christine Navarro, Projekt- und Changemanagement, Projektmanagerin,
E-Mail: ch.navarro@uke.de

Michael van Loo, Leitung Geschäftsbereich Personal,
E-Mail: vanloo@uke.de
Struktur- und Leistungsdaten
Betten1.741
Ärztinnen / Ärzte insgesamt (außer Belegärzte)1.392 Vollkräfte
Gesundheits- und Krankenpfleger / -innen1.558 Vollkräfte
Altenpfleger / -innen24 Vollkräfte
Projektmotivation / -vorbereitung

Ausgangslage

  • Die Personalpolitik des UKE setzt sich seit über 10 Jahren für eine Stärkung der Pflege ein, um die Arbeitszufriedenheit zu steigern und dem Fachkräftemangel entgegenzusteuern
  • Die Projektidee zur Anpassung der Arbeitszeiten ist 2017 entstanden, um die persönlichen Bedürfnisse (Work-Life-Balance) des Pflegefachpersonals im Klinikalltag verstärkt zu berücksichtigen und somit mehr qualifiziertes Pflegefachpersonal zu gewinnen und an das UKE zu binden
  • Im Jahr 2019 hat die Projektgruppe partizipativ mit den ausgewählten Pilotbereichen das Konzept Arbeiten 5.0 entwickelt, die Pilotphase startete Oktober 2021, aktuell greift das Projekt bereits auf 88 Stationen sowie in weiteren Bereichen am UKE

Am Projekt beteiligte Berufsgruppen/Personen

  • Vorstand des UKE, Geschäftsbereichsleitung Personal, OberärztInnen, Stationsleitungen, 4-köpfiges Projektteam Arbeiten 5.0, Pflegedienst, Gleichstellungsbeauftragte, betriebsärztlicher Dienst, Personalrat für das nichtwissenschaftliche Personal, Institut für Arbeitsmedizin, Arbeitsrechtliche Vereinigung Hamburg e.V., ver.di Hamburg, Universität Hamburg und viele weitere

Externe Projektförderung und Kooperationen

  • Förderung durch die Techniker Krankenkasse im Rahmen der Fördermöglichkeiten des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes, weitere Verlängerung bis 2027
Projektumsetzung

Projektziele

  • Flexibilisierung von Dienstzeiten und Organisationsformen (Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Freizeit / Stärkung der Work-Life-Balance)
  • Prozessoptimierung berufsübergreifender Tätigkeiten
  • Lebensphasenorientierte Dienstzeiten
  • Stärkung sowohl der Mitarbeitendenzufriedenheit als auch der Motivation für Pflegefachpersonen und pflegenahe Berufsgruppen
  • Gewinnung und Bindung von Pflegefachpersonal
  • Abwendung von Zeit- und Leiharbeit
  • Stärkung der interprofessionellen Arbeit

Projektdauer

  • Projektstart: Oktober 2019
  • Übernahme in die Regelversorgung durch Roll-Out ab Juni 2022
  • Aktuell in über 88 Stationen/Bereichen eingesetzt
  • Weitere Projektbausteine geplant (bedingt durch die erneute Förderung bis 2027)

Eingeführte Maßnahmen

  • Konzeptentwicklung:
    • Das Konzept Arbeiten 5.0 hat das Projektteam in Zusammenarbeit mit diversen relevanten Stakeholdern im Zeitraum von Oktober 2019 bis Januar 2020 entwickelt
    • Als Arbeitsgrundlage dienten die Tagesstrukturpläne einer internistischen Station, der Allgemeinchirurgie und einer Intensivstation
    • Anhand der Tagesstrukturpläne der drei Stationen wurden stationsspezifische Arbeitsspitzen identifiziert und geschaut, wie Dienstzeiten mit Prozessen zusammenpassen. Außerdem wurden die Zeitpunkte der interdisziplinären Zusammenarbeit analysiert
    • Auf Basis der Analysen hat das Projektteam mehrere Dienstzeitmodelle und Absprachen zu interprofessioneller Zusammenarbeit erarbeitet
  • Vorbereitungen:
    • Austausch zwischen Projektteam, Stationsleitungen und OberärztInnen der beteiligten Stationen und Festlegung, welche Dienste auf den jeweiligen Stationen angeboten werden sollen
    • Integration der neuen Dienste in das bestehende Dienstplansystem mithilfe einer Planungsmatrix
    • Festlegung von Prozessregeln (z. B. festgelegte Visite- und Besprechungs-zeiten auch mit dem Ärztlichen Dienst)
    • Erarbeitung von Ausfallkonzepten und Festlegung von Regeln
    • Beauftragung einer Unternehmensberatung für die Durchführung der Projektevaluation
  • Pilotierung:
    • Sechsmonatige Pilotphase auf einer onkologischen Station, einer allgemeinchirurgischen Station und einer Intensivstation von Oktober 2021 bis März 2022
    • Interprofessioneller Workshop mit den Leitungsteams der Stationen
    • Erstellung der Dienstpläne durch die Stationsleitungen
      • Das Pflegefachpersonal konnte die gewünschten Dienste angeben und die Stationsleitungen haben die gewünschten Dienste bei der Dienstplanerstellung berücksichtigt
      • Die Angabe von Wunschdiensten und geänderten Dienstzeiten basierte auf freiwilliger Basis
      • Beispiele möglicher Dienstzeiten: Früher Kurzdienst von 8:00 bis 13:00 Uhr, verlängerte Tagdienste von 7:00 bis 17:00 Uhr
    • Unterstützung der Stationsleitungen durch das Projektteam bei der Einführung der neuen Dienstpläne
    • Entwicklung eines digitalen Werkzeugkoffers mit Hinweisen und Tipps als Orientierungshilfe und zur Gewährleistung der Nachhaltigkeit durch das Projektteam in Absprache mit den Stationsleitungen und dem Pflegefachpersonal
    • Begleitende Pilot-Evaluation durch die beauftragte Unternehmensberatung, so wurden kurzfristige, relevante Anpassungen ermöglicht. Folgende Instrumente wurden genutzt:
      • Schriftliche Mitarbeitendenbefragung des Pflegedienstes und des Ärztlichen Dienstes hinsichtlich Zufriedenheit der Mitarbeitenden, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen dem Pflegedienst und dem Ärztlichen Dienst, Auswirkungen und Bewertungen der neuen Dienste
      • Fokusgruppen mit Stationsleitungen und Mitarbeitenden zu folgenden Aspekten: Hemmende und fördernde Faktoren, Anpassungsbedarfe, Erwartungen, Unterstützungsbedarfe, bemerkte Veränderungen
      • Dokumentationsbögen und Kennzahlen: Nutzung und Umsetzung der neuen Dienste, Umsetzungshindernisse, Abgleich der Wunschdienstpläne mit realen Dienstplänen, Personalbesetzung
      • Evaluationsworkshops für eine Zwischenbilanz zum Umsetzungsstand, für eventuelle Anpassungen während Pilotphase, Analyse der Auswertungen
  • Prozessoptimierung berufsübergreifender Tätigkeiten
    • Ärzt:in-Pflege-Tandems/ Schichtleitung
    • Visiten-Regelung
    • Morgendliche Kurzbriefings
    • Absprache berufsgruppenübergreifende Tätigkeiten
    • Tagesabschlussbesprechungen

Update 2024

  • Bedingt durch neue Arbeitszeiten ergeben sich kürzere und längere Dienstzeiten
  • Kurze Dienstzeiten: sorgen für mehr Flexibilität, Schärfung der Profile
  • Längere Dienstzeiten: ermöglichen Arbeitsspitzen abzugreifen und ein schnelleres Erreichen der Soll-Arbeitszeit und somit mehr freie Tage; zudem ermöglichen längere Dienste eine 4-Tage-Woche
  • Interprofessionelle Zusammenarbeit wird gestärkt: interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Pflegedienst und Ärztlichem Dienst wurde durch mehr überschneidende Arbeitszeiten und Absprachen zu interprofessioneller Zusammenarbeit gefördert
  • Seit Einführung des neuen Zeitmodells entstand ein großes Besprechungswesen mit jeder Station, die neu in das System aufgenommen wird (Infoveranstaltung mit Stationsleitung, mit Beschäftigten, Workshop mit Ärztlichem/Pflegerischem Leitungsdienst)
  • Zudem regelmäßige Treffen der Projektgruppe mit Stations- und Zentrumsleitungen
  • Regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit und Zusammenarbeit mit Stakeholdern zum Arbeitszeitprojekt und dem Change Prozess (zudem eigenes, regelmäßiges Update der Projektgruppe an beteiligte Stationen)
  • Regelmäßiger Jour Fixe zum Dienstplan Programm SP-Expert mit den beteiligten Stationen
  • Neben der Dienstzeitanpassung findet auch eine Anpassung der Prozesse statt; aktuell greifen die Prozessbausteine im stationären Bereich, nicht in den Funktionsbereichen, Ambulanzen und Tageskliniken
  • Mobiles Arbeiten: Thema wird aktuell tiefergehend bearbeitet (i.R. der erneuten Förderung der TK bis 2027)
  • zwei Konzepte überlegt:
  1. Konzept für Pflegefachpersonen: vor Ort mobiles Arbeiten, d.h. in der Übergabezeit kann z.B. die Dokumentation ortsunabhängig auf dem UKE-Campus erfolgen
  2. Konzept für spezielle Funktionen (Praxisanleitung, Wundmentoren, APN) Arbeitspakete sammeln und an einem Tag im HO oder mobil erarbeiten
  • Ziel des UKE: Überall, wo es möglich ist, mobil zu arbeiten, dies zu ermöglichen
  • Durch die Tageskliniken ist aufgefallen, dass z.B. Tätigkeiten wie die Terminierung der Patienten gut aus dem HO erledigt werden können

Auswirkungen der Neuerungen auf die Berufsgruppen und das Klinikum

Update 2024

  • Bis Ende 2023 wurden alle bettenführenden Stationen (ca. 88 Stationen) in das Projekt aufgenommen
  • Für 2024 sind weitere Bereiche, u.a. Funktionsbereiche wie Anästhesie, OP, Zentralambulanzen und Tageskliniken, d.h. alle Bereiche wo pflegenahe Berufsgruppen arbeiten, mit aufgenommen worden (geplant für 2025 insbesondere der Medizinisch-Technische Dienst und die OP-Bereiche)
  • Verbesserte Integration des Pflegefachpersonals in besonderen Lebenssituationen (zum Beispiel Studierende oder Personen, die Angehörige versorgen (pflegende Angehörige))
  • Verbesserte Kommunikation und weniger Informationsverlust zwischen Pflegedienst und Ärztlichem Dienst durch angepasste Arbeitszeiten
  • Engere Patientenorientierung durch Prozessanpassung
  • Fokus auf den einzelnen Mitarbeitenden

Übernahme in die Regelversorgung

  • Ja, durch das Roll-Out seit Juni 2022
  • Seit Projektstart haben 1589 (Stand: 30.09.2024) Mitarbeitende Arbeiten 5.0-Dienste in Anspruch genommen, aktuell läuft das Projekt bedarfs- und bedürfnisorientiert auf über 88 Stationen und in weiteren Bereichen des UKE
Projektbeurteilung
  • Die Evaluation durch eine externe Unternehmensberatung während der Pilotphase des Projektes hat gezeigt:
    • Angebot innovativer Dienstzeiten in Verbindung mit stationsbezogenen Prozessanpassungen ist notwendig und zeitgemäß
    • Mitarbeitende nutzen das Angebot der individuellen Arbeitszeiten
    • Mitarbeitende profitieren aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation unterschiedlich von Dienstzeiten
    • Mitarbeitende schätzen die neu gewonnene Flexibilität in der Dienstplangestaltung
    • der Austausch zwischen den Berufsgruppen verbessert sich
    • eine konstruktive Gesprächskultur wurde geschaffen
    • durch die Möglichkeit der Einflussnahme wurde die Zufriedenheit der Mitarbeitenden erhöht

Update 2024

  • Projektevaluation von Roll-Out bis 2025 erfolgt parallel durch Hamburg Center for health economics (HCHE) der Universität Hamburg; Endbericht folgt
  • Jährliche Mitarbeiterbefragung durch Uni Hamburg, um einen Verlauf über die Jahre und über alle Beschäftigten zu erlangen
  • Zusätzliche Analyse weiterer Kennzahlen durch Uni HH (z.B. Gesundheitsquote, Fluktuationsrate usw.)
  • Internes Dashboard erstellt zur Evaluation welche Dienstzeiten wann wie genutzt werden
  • Pflegebereiche geben selbst Feedback
  • Stetiges Monitoring zur Umsetzung der Prozessbausteine

Rückblickend als besonders erfolgreich betrachtet

Update 2024

  • Dienstzeiten haben sich gut etabliert, wird auch anhand der Dashboard Daten quantitativ bestätigt
  • Es findet eine Sensibilisierung für das Thema der Flexibilisierung von Dienstzeiten und interprofessionelle Zusammenarbeit durch das Projekt statt
  • Für Mitarbeitende viele Besserungen erreicht: KollegInnen konnten z.B. Arbeitszeiten aufstocken

Rückblickend als weniger erfolgreich betrachtet

Update 2024

  • Herausfordernd ist die Perspektive der Nachhaltigkeit, es ist schwierig Prozessbausteine langfristig zu verankern; es hat sich aber im Zuge dessen auch noch ein weiteres Projekt etabliert: „Zusammenarbeit in der Pflege“
  • Herausforderung: als die anfänglich etablierten 12h Dienste nicht mehr möglich waren, entstand das Bild, das Projekt sei zu Ende  eine erneute Informationskampagne zur Fortführung des Projektes war notwendig
  • Insgesamt großer Change-Prozess, der gut begleitet werden muss

Laufende Maßnahmen

Update 2024:

  • Arbeitgeberattraktivität: hierzu fehlen noch valide Zahlen aus der Evaluation der Universität Hamburg
  • Nächster Schritt ist eine Werbekampagne im Öffentlichen Nahverkehr in Hamburg
  • Ganz Deutschland ist auf dem Weg der Flexibilisierung: Schwieriger Prozess, es wurde durch das Projekt viel angestoßen und sensibilisiert, Prozess wird immer weiter voranschreiten, interprofessionelle Zusammenarbeit wird weiter gefördert, weitere Projekte entstehen
  • Weitere Informationen finden sich hier: UKE - Karriere im UKE - Arbeiten 5.0