Therapiemanagement durch den Pflegedienst

An der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie der Alexainer Köln GmbH wird das Therapiemanagement für die nicht ärztlichen oder psychologischen Therapien von Pflegekräften durchgeführt. Die Ärzte kennzeichnen diejenigen Therapien, an denen die Patienten nicht teilnehmen sollen. Patienten werden an der Auswahl der für sie hilfreichen Angebote beteiligt. In sogenannten "Schnupperangeboten" (zwei bis drei Versuchstermine) können sie die verschiedenen Methoden kennenlernen und prüfen. Ihre Erfahrungen werden in die Therapieplanung miteinbezogen. Beraten und unterstützt werden sie dabei von den Pflegekräften.

Datum:

24.08.2010

Ort:

Alexianer Köln GmbH - Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie, Köln

Interviewpartner:

Gerhard Daniels, Pflegedienstleiter

Themenkategorie:

„Neue Arbeitsteilung und Prozessgestaltung“

Maßnahme:

Therapiemanagement durch den Pflegedienst

Projektanlass
Im Jahr 2007 wurde wiederholt festgestellt, dass es Überlappungen von Arbeitsschritten bei der Therapieplanung der Patienten gab. Es bestand Optimierungsbedarf im Arbeitsablauf an der Schnittstelle zwischen Pflegedienstmitarbeitern und Ärzten. Die vorherrschende Situation führte zu Unzufriedenheit bei Patienten über Therapieausfälle und bedeutete Mehrarbeit für den Pflegedienst durch Re- bzw. Umorganisation der Therapiepläne in ständiger Absprache mit den anordnenden Ärzten. Zudem klagten die Ärzte über Arbeitsüberlastung durch die häufige Umorganisation der Therapien, denn das bedeutete auch für sie einen weiteren Arbeitsaufwand. Bei einer Erörterung des Problems auf der Führungsebene (ärztliche und pflegerische Leitung) wurde beschlossen, diesem zu begegnen, indem die Pflegedienstmitarbeiter das Therapiemanagement übernehmen, denn die erfahrenen Pflegekräfte waren auch fachlich erheblich besser dazu qualifiziert, den Patienten bestimmte Therapien zu erklären, als junge Ärzte. Dadurch konnten die Patienten noch stärker als bisher kooperativ in den Planungsprozess miteinbezogen werden und vor allem profitierte die Wahlfreiheit der Patienten, die im Konzept des Hauses eine wichtige Rolle spielt.

Projektumsetzung
Vor der Prozessveränderung ordneten die Ärzte die Therapien für die Patienten an und der Pflegedienst übernahm die Ablauforganisation. Gemäß dem Konzept unseres Hauses, das Präferenzen der Patienten stark berücksichtigt, gab es immer wieder Anfragen von Patienten nach anderen Therapien, da die Zusammenstellung der für sie angeordneten Therapien nicht ihren Vorstellungen und Neigungen entsprach. Dies hatte oft mit unzureichenden Informationen über die Therapien zu tun und verursachte häufig einen erheblichen Arbeitsaufwand, da zunächst immer Rücksprache mit dem behandelnden Arzt über den Therapiewechsel gehalten werden musste, um dann bestehende Ressourcen anderer Therapeuten zu erfragen. Zusätzlich entstand natürlich eine Verzögerung bei der Teilnahme der Patienten an der Therapie.

Durch den Einsatz der Pflegedienstmitarbeiter als qualifizierte „Therapiemanager“ sollte eine bessere Umsetzung des kooperativen Konzepts der Klinik und eine Prozessoptimierung im Arbeitsablauf erreicht werden. Diese Optimierung resultiert aus der großen Patientennähe der pflegerischen Mitarbeiter und dem damit verbundenen effizienteren Informationstransfer. Zusätzlich sollte durch die Stärkung der Wahlfreiheit mittels kompetenterer Information eine höhere Verbindlichkeit (und somit Compliance) der Patienten bei der Therapie erreicht werden.

Die behandelnden Ärzte kennzeichnen nunmehr diejenigen Therapien, an denen die Patienten nicht teilnehmen sollen. Das Therapiemanagement umfasst alle Angebote der Ergotherapie: Kreative Ergotherapie, Arbeitstherapie (Training im Bereich EDV/Büro, Schreinerei, Gärtnerei, Hauswirtschaft etc.), sensorische Integration und darüber hinaus Kunst-, Musik- und Bewegungstherapie sowie Ernährungsberatung usw. Die ärztlichen und psychologischen Therapieangebote werden dagegen von dem behandelnden Arzt erläutert und dann nach Absprache mit den Patienten angeordnet.Die Bezugspersonen des Pflegedienstes informieren die Patienten in einem ausführlichen Beratungsgespräch über die verschiedenen Therapieformen, deren Nutzung und wo bzw. ob die Therapie sie eventuell überfordern könnte. Die Patienten berichten von ihren Vorlieben und Neigungen und im gemeinsamen Gespräch werden sie bei der Wahl ihrer Therapien vom Pflegedienst unterstützt. Auf Nachfragen kann auf diese Weise sofort eingegangen werden. So erstellen die Mitarbeiter des Pflegedienstes gemeinsam mit den Patienten den individuellen Therapieplan, den diese dann ausgehändigt bekommen.

Die therapeutische Gesamtverantwortung liegt selbstverständlich weiterhin bei dem behandelnden Arzt. Die Mitarbeiter der übrigen Berufsgruppen behalten ihre Durchführungsverantwortung. Die Organisation der Therapien läuft über ein klinikweites EDV-System, auf das auch die Therapeut zurückgreifen. Die Patienten haben während zwei bis drei Versuchsterminen („Schnupperangebot“) Zeit, sich endgültig für ein individuelles Therapieprogramm zu entscheiden. Sollten sie dann doch später eine andere Therapie wünschen, können die Mitarbeiter des Pflegedienstes dies entsprechend den Ressourcen der jeweiligen Therapeuten über das EDV-System schnell und unbürokratisch organisieren. Sämtliche Therapien, Informationen über die Patienten oder Veränderungen ihres Zustands werden in eine bereichsübergreifende Verlaufsdokumentation (elektronische Patientenakte) eingetragen. Zugang zu dieser Dokumentation hat das gesamte Behandlungsteam.

Die pflegerischen Mitarbeiter sind nunmehr für das Therapiemanagement unter der Maßgabe der ärztlichen Vorgaben verantwortlich. Die Therapeuten erhalten seit Einführung der Maßnahme Patienten nicht mehr bloß durch technische Vermittlung durch den Pflegedienst vom Ärztlichen Dienst, sondern direkt vom Pflegedienst zugewiesen. Vor allem für die Sporttherapeuten war wichtig, dass bei jedem Patienten medizinische Kontraindikationen durch den behandelnden Arzt klar benannt wurden, so dass bestimmte Therapien ärztlich ausgeschlossen wurden.

Projektbeurteilung
Eine im Jahr 2009 durchgeführte Mitarbeiterbefragung zeigte überwiegend positive Bewertungen der Arbeitsmöglichkeiten. Jährliche Patientenbefragungen zeigten zudem, dass die Zufriedenheit der Patienten mit dem Therapieangebot gestiegen ist, obwohl das Angebot selbst nicht verändert wurde. Entscheidend ist, dass die Patienten durch das kooperative Behandlungskonzept und die Stärkung ihrer Wahlfreiheit ein individuelles Therapieangebot erhalten.

Die pflegerischen Mitarbeiter werden durch Einführung des pflegerischen Therapiemanagements stärker in ihrer Fachkompetenz wahrgenommen und erhalten ein zusätzliches Maß an Handlungsmöglichkeiten. In der Vergangenheit war die Beteiligung am Therapiemanagement für die pflegerischen Mitarbeiter eher administrativer Natur. Mit der Einführung der neuen Verfahrensweise wurde der Aufgabenbereich interessanter. Das beratende Gespräch über die verschiedenen Therapieangebote ist fester Bestandteil bei der Erstellung der Pflegeanamnese und wird im Rahmen der Bezugspflegegespräche evaluiert.

Eine wesentliche zeitliche Entlastung für die Mitarbeiter des Pflegedienstes hat es selbstverständlich nicht gegeben. Aber durch die veränderten Abläufe wird die eigene Tätigkeit vermehrt als sinnvoll erlebt.

Name des Krankenhauses
AnschriftAlexianer-Krankenhaus Köln GmbH
Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie
Kölner Straße 64
51149 Köln
Tel.: 02203 / 3691 10 00 0
Fax: 02203 / 3691 11 12 9
info@alexianer-koeln.de
KlinikleitungGeschäftsführer
Dipl.-Volkswirt, Dipl.
Kaufmann Peter Scharfe
Tel.: 02203 / 3691 10 00 0

Pflegedienstleiter
Gerhard Daniels
Kölner Straße 64
51149 Köln
Tel.: 02203 / 3691 10 63 0
g.daniels@alexianer-koeln.de
Webseitewww.alexianer.de/koeln/index.php
Struktur- und Leistungsdaten – Kennzahlen 2008
Betten175
Vollstationäre Fälle2.241
Ärztinnen/Ärzte insgesamt23 VK
davon Fachärztinnen/Fachärzte10 VK
Gesundheits- und KrankenpflegerInnen98 VK
KrankenpflegehelferInnen4 VK
Eingesetzte Maßnahmen
  • Prozessänderung
  • Einbindung der PatientInnen in die Therapieplanung
Projektmotivation/-vorbereitung

Ausgangslage

  • Im Jahr 2007 wurde wiederholt festgestellt, dass es Unstimmigkeiten und Überlappungen von Arbeitskräften bei der Therapieplanung der PatientInnen gab.
  • Es bestand Optimierungsbedarf im Arbeitsablauf an der Schnittstelle zwischen Pflegekräften und Ärztinnen/Ärzten.
  • Die vorherrschende Situation erhöhte die Unzufriedenheit der PatientInnen über Therapieausfälle und bedeutete Mehrarbeit der Pflegekräfte durch Re-/Umorganisation unerwünschter Therapien von PatientInnen in Absprache mit den anordnenden Ärztinnen/Ärzten.
  • Bei einer Erörterung des Problems auf der Führungsebene (ärztliche- und pflegerische Leitung) wurde beschlossen, diesem zu begegnen, indem die Verantwortung für die Therapieplanung von den Ärztinnen/Ärzten auf die Pflegekräfte übertragen und die PatientInnen in den Planungsprozess miteinbezogen werden sollten.

Planungen im Vorfel

  • Ärztinnen/Ärzte, TherapeutInnen und Pflegekräfte wurden über die bevorstehenden Veränderungen informiert und zur Mitarbeit motiviert.
  • Schulungen der PflegemitarbeiterInnen über die Therapieangebote wurden vom therapeutischen Koordinator geplant und durchgeführt. Dabei wurden die Pflegekräfte über die Inhalte und Ziele der Angebote aufgeklärt.
  • Zusätzlich gibt es in regelmäßigen Abständen für Pflegekräfte die Möglichkeit, an den Therapieangeboten teilzunehmen, um sich ein eigenes Bild über den Ablauf der Veranstaltungen zu machen.

An der Planung beteiligte Berufsgruppen/Personen

  • Ärztinnen/Ärzte
  • TherapeutInnen
  • Pflegekräfte

Externe Projektförderung

Nein

Projektumsetzung

Ziele

  • Durch die Einsetzung der Pflegekräfte als „Therapiemanager“ sollte eine Prozessoptimierung im Arbeitsablauf erreicht werden.
  • Zusätzlich sollte durch die Einbeziehung der PatientInnen in die Entscheidung eine höhere Verbindlichkeit (und somit Compliance) der PatientInnen bei der Therapie erreicht werden und auf diesem Wege die Qualität der Dienstleistung verbessert werden.

Verfahren

  • PatientInnen werden an der Auswahl der für sie hilfreichen Angebote beteiligt
  • In so genannten „Schnupperangeboten“ (2-3 Versuchstermine) können sie die verschiedenen Methoden kennen lernen und prüfen.
  • Ihre Erfahrungen werden in die Therapieplanung mit einbezogen.
  • Beraten und unterstützt werden sie dabei von den Pflegekräften, welche für die endgültige Therapieplanung verantwortlich sind

Projektdauer

Einführung 2007

Projektbeurteilung

Maßnahmen zur Evaluation

  • Es gibt keine direkte Evaluation der Maßnahme.
  • Eine im Jahr 2009 durchgeführte Mitarbeiterbefragung zeigte überwiegend positive Bewertungen der Arbeitsmöglichkeiten.
  • Jährliche Patientenbefragungen zeigten zudem, dass die Zufriedenheit der PatientInnen mit der Therapie gestiegen ist und es nun mehr Klagen bei Therapieausfällen gibt, als vor der Maßnahme. Auch die stets vorgehaltenen Auffangangebote bei Therapieausfällen werden nun schlechter angenommen, als vor der Maßnahme (die PatientInnen bestehen auf ihrer „Wahltherapie“).
Zielerreichungsgrad
  • Angestrebte Ziele wurden erreicht

Rückblickend besonders erfolgreich/gelungen

  • Die Einführung und Umsetzung der Maßnahme in ca. 4-6 Monaten (Idee bis Umsetzung).

Rückblickend erfolglos/nicht gelungen

  • Die Maßnahme funktioniert noch nicht auf der Psychotherapie-Station. Dort befinden sich überwiegend PatientInnen mit einer höheren Verweildauer, die eine stationäre Psychotherapie erhalten.
  • Der Beginn der Umsetzung der Maßnahme verlief etwas schleppend. Aus diesem Grund würde bei einer erneuten Umsetzung eine offizielle Auftaktveranstaltung geplant werden, um der Maßnahme noch etwas mehr Aufmerksamkeit und ein offizielles Startdatum zu geben.
Eingeführte Maßnahmen
  • Vor der Prozessveränderung erläuterte die/der behandelnde Ärztin/Arzt den PatientInnen die Therapien, fragte die PatientInnen nach ihrer Präferenz und ordnete die Therapien dann an. Die MitarbeiterInnen des Pflegedienstes waren nur für die Ablauforganisation zuständig.
  • Es gab jedoch immer wieder Anfragen von PatientInnen nach einem Wechsel der Therapie, da die Zusammenstellung der für sie angeordneten Therapien nicht ihren Vorstellungen und Neigungen entsprach. Dies verursachte häufig einen erheblichen Arbeitsaufwand, da zunächst Rücksprache mit der/dem behandelnden Ärztin/Arzt über den Therapiewechsel gehalten werden musste, um dann bestehende Ressourcen anderer TherapeutInnen zu erfragen. Zusätzlich verursachte dies eine Verzögerung bei der Teilnahme der PatientInnen an der Therapie.
  • Nach der Prozessveränderung ist der ärztliche Dienst selbstverständlich weiterhin verantwortlich für die Therapie, nimmt diese Verantwortung aber jetzt durch Therapieausschlüsse bei medizinischen Kontraindikationen (z.B. keine Sporttherapie bei instabiler Angina pectoris) und eventuelle Modifikationen des Therapieprogramms wahr.
  • Die PflegedienstmitarbeiterInnen informieren die PatientInnen detailliert über die verschiedenen Therapieformen, den Nutzen und darüber, wo/ob die Therapie den PatientInnen eventuell überfordern könnte.
  • Bei den zu organisierenden Therapien handelt es sich z.B. um kreative Ergotherapie, Arbeitstherapie, sensorische Integration, Bewegungstherapie, Kunsttherapie, Musiktherapie, Ernährungsberatung etc. Die Therapieangebote von Ärztinnen/Ärzten und Psychologinnen/Psychologen sind von dieser Regelung ausgenommen, denn sie werden ausführlich von der/dem behandelnden Ärztin/Arzt erläutert.
  • Die PflegedienstmitarbeiterInnen erstellen in Zusammenarbeit mit den PatientInnen einen individuellen Therapieplan, der an die PatientInnen ausgehändigt wird
  • Die Organisation der Therapien läuft über ein klinikweites EDV-System, auf das auch die TherapeutInnen zugreifen. Die PatientInnen haben während zwei bis drei Versuchsterminen („Schnupperangebot“) Zeit, sich endgültig für eine Therapie zu entscheiden.
  • Sollten die PatientInnen eine andere Therapie wünschen, können die PflegedienstmitarbeiterInnen dies nun direkt im Gespräch mit den PatientInnen und je nach entsprechenden Ressourcen der TherapeutInnen im EDV-System schnell und unbürokratisch organisieren.
  • Sämtliche Therapien, Informationen über die PatientInnen oder Veränderungen ihres Zustandes werden in eine bereichsübergreifende Verlaufsdokumentation (elektronische Patientenakte) eingetragen. Zugang zu dieser Dokumentation hat das gesamte Behandlungsteam.
Eingeführte Maßnahme in die Regelversorgung übernommen
  • Die Maßnahme wurde direkt flächendeckend auf den fünf allgemeinpsychiatrischen Stationen und in den zwei Tageskliniken eingeführt. Lediglich die Suchtstationen und die gerontopsychiatrische Station sind wegen ihrer besonderen PatientInnen von dieser Maßnahme ausgeschlossen.