Einführung von Case Management

Im Klinikum Lüdenscheid wurde seit 2005 sukzessive ein Case Management eingeführt. Durch die Umsetzung des Expertenstandards „Entlassmanagement“ sowie begleitender Maßnahmen und durch die Etablierung von Case Managerinnen und Managern wurde eine Entlastung des Personals auf Station erreicht. Durch einen kontrollierten Ressourceneinsatz und der Reorganisation von Prozessen konnten zudem Kosten eingespart werden – bei einer gleichzeitig verbesserten Patientenversorgung.

Datum:

21.02.2011

Ort:

Märkische Kliniken GmbH – Klinikum Lüdenscheid

Interviewpartner:

Sabine Peer, Leitung Case Management

Themenkategorie:

„Neue Arbeitsteilung und Prozessgestaltung“

Maßnahme:

Einführung Case Management

Projektanlass
Ab Januar 2005 wurde im Klinikum Lüdenscheid mit der Umsetzung des  Projektes „Kostensenkung und Ertragssteigerung“ begonnen. Das Teilprojekt „Entlassmanagement/Case Management“ wurde unter die Leitung der Pflegedirektion gestellt.
Neben der Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Ergebnisqualität durch ein verbessertes Schnittstellenmanagement waren auch wirtschaftliche Gründe für die Einführung von Case Management bestimmend. Drastische Kürzungen zwangen die Kliniken, die durchschnittliche Verweildauer zu reduzieren. Das Risiko für die Patienten, entlassen zu werden, weil die Grenzverweildauer erreicht war, stieg somit an. Der vorhandene Pflegebedarf der einzelnen Patienten oder soziale Aspekte blieben dabei häufig unberücksichtigt.
Wichtiges Anliegen des Entlassmanagements/Case Managements wurde somit eine bestmögliche Patientensteuerung durch einen kontrollierten Ressourceneinsatz. Schritt für Schritt sollten die Elemente, die das Steuerungsverfahren Case Management bietet, eingeführt werden.

Projektumsetzung
Das Case Management wurde sukzessive auf der Patienten- und der Systemebene eingeführt. Die Geschäftsführung unterstützte die Einführung nachhaltig. Die für die Einführung und Umsetzung des Case Managements erforderlichen Mittel wurden bereitgestellt.
Auf der Patientenebene erfolgte die Implementierung des Case Managements auf kooperationswillige Abteilungen. Nur so ist gewährleistet, dass die erforderliche Akzeptanz für die Mitarbeiter des Case Managements vorliegt. Das Case Management muss von der ärztlichen Leitung mitgetragen werden. Hilfreich hierfür ist eine Darstellung der Kosten und des Nutzens der Etablierung des Case Managements. Förderlich sind darüber hinaus eine klare Aufgabensetzung und die Errichtung dazu erforderlicher Strukturen. Als persönliche Voraussetzungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Case Management sind formale Autorität und fachliche Kompetenz unabdingbar.
Der Expertenstandard „Entlassmanagement“ wurde umgesetzt, der Standards zur Feststellung des Pflegebedarfs (Assessment), zur Planung, Durchführung und zur Bewertung (Evaluation) der durchgeführten Tätigkeiten beinhaltet. Der Case Manager nimmt an den Visiten auf Station teil. Weitere Aufgabe ist das Monitoring der Verweildauern. Es wurde ein Meldeverfahren für Patienten mit nachstationärem Versorgungsbedarf etabliert.

In den Abteilungen erfolgt eine Entlastung der Ärzte und des Pflegepersonals durch den Einsatz der Case Manager. Festgelegte Verantwortlichkeiten und Ansprechpartner haben zu einer verstärkten Transparenz im Leistungsgeschehen geführt. Durch Verfahrensanweisungen gibt es eine klare Aufgabenregelung. Administrative Aufgaben im Zusammenhang mit Patienten, die ein erhöhtes Risiko von Versorgungsdefiziten aufweisen und daher der Unterstützung bedürfen, werden von Case Mangern betreut. Das Aufgabenfeld reicht von der Beschaffung von Pflegehilfsmitteln, über die Organisation von Plätzen in Alten- und Pflegeheimen bis hin zur Durchführung von Patientengesprächen, die um die sozialen Belange kreisen. Für Ärzte und Pflegekräfte verbleibt durch diese Entlastung mehr Zeit, um sich um die Patienten zu kümmern. Es hat sich herausgestellt, dass durch die Arbeit des Case Managements viele Informationen sowohl bei Angehörigen und Patienten als auch bei den Ärzten und Pflegekräften zeitnäher als früher vorhanden sind.
Es erfolgte eine Zusammenlegung der entlassrelevanten Bereiche und die Entwicklung standardisierter Organisationsabläufe mit festgelegten Verantwortlichkeiten und der Zuordnung zu Ansprechpartner. Die Case Manager entscheiden nicht über den Entlasstermin, beraten aber die behandelnden Ärzte hinsichtlich der Möglichkeit der weiteren Versorgung. Zusammen mit Patienten und Angehörigen werden Entscheidungen hinsichtlich der weiteren krankenhausexternen Versorgung getroffen. Fallgruppen der Sozialarbeit wurden eingeführt.
Auf der Systemebene wurde die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und ambulanten sowie stationären Nachsorgern institutionalisiert. Niedergelassene Ärzte melden vor der stationären Behandlung schon Patienten mit verstärktem Behandlungs- und Nachsorgebedarf. Das Case Management faxt ein oder zwei Tage vor der Entlassung des Patienten an den weiterbehandelnden Arzt den Status des Patienten (z.B. benötigte Pflegemittel, Anschlussheilbehandlung). Damit der niedergelassene Arzt weitere Informationen einholen kann, enthält dieses Fax auch die Telefonnummer des behandelnden Krankenhausarztes. Altenheime melden von sich aus freie Plätze an das Klinikum, sodass für den Case Manager weniger Rechercheaufwand entsteht.

Projektbeurteilung
Rückblickend hat sich die Einführung des Case Managements als sehr erfolgreich herausgestellt, wie Mitarbeiterzufriedenheits- und Patientenbefragungen belegen. So beurteilen die leitenden Ärzte das Case Management mit der Note 1,6. In einer Patientenbefragung gaben 94 % der befragten Patienten an, dass sie sich in einer ähnlichen Situation erneut an das Case Management wenden würden.
Case Management lohnt sich nicht nur in Hinblick auf ein qualitativ hochwertiges Entlassmanagement, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Neben der hohen Zufriedenheit von Patienten, Angehörigen, Einweisern und der klinischen Fachabteilungen, sind eine Entlastung der Pflege und der Ärzte, eine pünktliche Entlassung und die Vermeidung von Wiederaufnahmen durch Sicherstellung einer bedarfsgerechten poststationären Versorgung als Erfolge des Case Managements zu nennen.

Name des Krankenhauses
AnschriftMärkische Kliniken GmbH – Klinikum Lüdenscheid
Paulmannshöher Straße 14
58515 Lüdenscheid
KlinikleitungVerwaltungsdirektor
Steffen Kusserow

Leitender Ärztlicher Direktor
Prof. Dr. Rolf Larisch

Pflegedirektor
Karlfried Hadem
Webseitewww.maerkische-kliniken.de/Klinikum/Startseite/default.htm
Ansprechpartner der MaßnahmeSabine Peer, MaHM
Dipl. Pflegewirtin, Case Managerin (DGCC e.V.)
Tel.: 02351 / 462051 oder 4665400
Fax: 02351 / 463219
sabine.peer@klinikum-luedenscheid.de
Struktur- und Leistungsdaten – Kennzahlen 2009
Anzahl der vollstationären Planbetten979
Ärztinnen/Ärzte insgesamt249,3 VK
Gesundheits- und KrankenpflegerInnen378,7 VK
Gesundheits- und KinderkrankenpflegerInnen52,1 VK
Eingesetzte Maßnahmen
  • Expertenstandard „Entlassmanagement“
  • Teilnahme Case ManagerIn an den Stationsvisiten/Fallbesprechungen
  • Monitoring der Verweildauern
  • Installation Meldeverfahren für PatientInnen mit nachstationärem Versorgungsbedarf
Projektmotivation/-vorbereitung

Ausgangslage

  • Umsetzung des  Projektes „Kostensenkung und Ertragssteigerung“
  • Das Teilprojekt „Entlassmanagement/ Case Management“ stellt ein Teilprojekt dar
  • Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Ergebnisqualität durch ein verbessertes Schnittstellenmanagement
  • Wirtschaftliche Gründe: bestmögliche Patienten-/Klientensteuerung durch einen kontrollierten Ressourceneinsatz

Planungen im Vorfeld

  • Einführung erfolgte im Projektstatus, gesamtbetriebliche Einführung auf der Systemebene
  • Unterstützung der GF zwingend erforderlich, erforderliche Mittel müssen zur Verfügung stehen
  • Etablierung in aufgeschlossenen Abteilungen
  • Schaffung von Akzeptanz:
    • Klarer Auftrag
    • Schaffung der entsprechenden Strukturen
  • Bei Auswahl der Case ManagerIn achten auf
    • formale Autorität
    • fachliche Kompetenz
  • betriebsinterne persönliche und fachliche Unterstützung der Case ManagerIn
  • Unterstützung des Case Managements durch ärztliche Leitung sicherstellen
  • Kosten und Nutzen müssen darstellbar sein
  • Ansiedlung von CM muss geklärt werden (Schutz der Case ManagerIn)

An der Planung beteiligte Berufsgruppen/Personen

  • Pflegedirektion
  • Stationsleitungen
  • ärztlicher Dienst

Externe Projektförderung

Nein

Projektumsetzung

Ziele

  • Ziele CM:
    • Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Ergebnisqualität durch Verbesserung der Schnittstellenproblematik
    • Aufrechterhaltung von ausreichenden Versorgungsstrukturen durch die Vermeidung von Unter-, Fehl- und Überversorgung im Rahmen eines optimierten Prozessmanagements
    • Aufbau von kostengünstigen Therapiekorridoren, durch Nutzung von Synergieeffekten und durchdachten Behandlungsprozessen
    • Erweiterung von Problemlösungskapazitäten
    • Bündelung von Ressourcen mit effizienterer Aufgabenerfüllung
    • Überwindung von Ressortdenken
    • Transparenz im Leistungsangebot
    • Vermeidung unnötiger Wiederaufnahmen (Re-Hospitation)
    • Sicherheit schaffen für PatientInnen und Angehörige
    • Optimierung der Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnern
    • zeitnahe Entlassungen anstreben (MVD -10%)
    • Kostenreduzierung durch Synergieeffekte
    • mit einem frühzeitigen Assessment, sowie Beratungs-, Schulungs- und Koordinationsleistungen dazu beitragen, eine Versorgungskontinuität herzustellen
  • Ziele aus Sicht der PatientInnen:
    • Transparenz bezüglich der Entlassplanung (Art der Entlassung, Termin..) für die PatientInnen und andere, die am Prozess beteiligt sind
    • Koordination diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen
    • Förderung von Patientenorientierung und Patientenpartizipation
    • verbesserten Zugang der PatientInnen zu den Versorgungsleistungen
  • Ziele aus Sicht des Klinikums:
    • Verweildauerverkürzung durch frühzeitige Entlassplanung
    • Verweildauerreduzierung durch verbesserte Abstimmung
    • Aufbau einer Belegungs- und Leistungssteuerung
    • Erlössicherung durch verbesserte DRG-Dokumentation
    • Einsparung durch Vermeidung von Doppel- und Fehlbehandlungen
    • Vermeidung von Wiederaufnahmen durch Vernetzungsleistungen
    • Optimierung der Zusammenarbeit mit EinweiserInnen!

Verfahren

  • Durchführung eines Assessments bei PatientInnen
  • Monitoring der Verweildauern
  • Durchführung von Patienten- und Angehörigengesprächen im Hinblick auf soziale Belange und des poststationären Behandlungsbedarfs
  • Organisation der poststationären Behandlung
  • Überleitung in die poststationäre Behandlung
  • Abstimmung mit den niedergelassenen Ärztinnen/Ärzten und ambulanten sowie stationären NachsorgerInnen

Projektdauer

Einführung ab 2005

Projektgruppe

Pflegedirektion, Stationsleitungen, ärztlicher Dienst, Case Management

Projektbeurteilung

Maßnahmen zur Evaluation

  • ½ jährliche Auswertungen des Case Managements zur Verweildauereinsparung und Kosteneffizienz
  • Zufriedenheitsanalyse der Klinikdirektoren
  • Nachstationäre Befragung der EinweiserInnen/Niedergelassenen, PatientInnen/Angehörigen, nachsorgenden Einrichtungen wie Altenpflegeheim, Hospiz und ambulante Pflegedienste
  • Patientenbefragungen

Evaluationsergebnisse

  • im Durchschnitt können pro Abteilung ca. 2 – 3 Tage Verweildauer pro Fall eingespart werden
  • die durchschnittliche Bewertung der Abteilung Case Management durch die Klinikdirektoren lag bei 1,6
  • „ambulant vor stationär“ = 70 % der Fälle konnten mit entsprechender Versorgungsstruktur in die Häuslichkeit entlassen werden, demgegenüber sind 12% der Fälle in stationäre Einrichtungen wie Altenpflegeheime entlassen worden
  • Ergebnisse der Patientenbefragung im Oktober 2009 (n = 418)
    • 82% der befragten PatientInnen gaben an, dass sie über die Entlassung rechtzeitig informiert wurden
    • 91% der befragten PatientInnen gaben an, dass ihnen ausreichend Medikamente/Verbandsmaterial bis zum nächsten Werktag mitgegeben wurde
    • 92% der befragten PatientInnen gaben an, dass ihnen die Entlassung rechtzeitig mitgeteilt wurde und eine rechtzeitige und ausreichende Beratung erfolgte
    • 84% der befragten PatientInnen gaben an, dass sie über die Schritte der Entlassplanung ausreichend/rechtzeitig informiert wurden
    • 94% der befragten PatientInnen gaben an, dass sie sich in einer ähnlichen Situation erneut an das Case Management wenden würden
Zielerreichungsgrad
  • Angestrebte Ziele wurden erreicht
  • Die eingeführten Maßnahmen wurden komplett in die Regelversorgung überführt.

Rückblickend besonders erfolgreich/gelungen
Die komplette Umsetzung der Einführung des Case Managements ist gelungen.

Rückblickend erfolglos/nicht gelungen
In einigen Abteilungen gibt es noch Optimierungspotential, obgleich auch dort die Einführung des Case Managements erfolgreich war.

Eingeführte Maßnahme
  • Case Management als zentrale Dienstleistung im Krankenhaus führt zu Kosteneinsparungen im Krankenhaus.
  • Case Management lohnt sich nicht nur in Hinblick auf ein qualitativ hochwertiges Entlassmanagement, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht.
  • Neben der hohen Zufriedenheit von PatientInnen, Angehörigen, EinweiserInnen und der klinischen Fachabteilungen, sind eine Entlastung der Pflege und der Ärztinnen/Ärzte, eine pünktliche Entlassung und die Vermeidung von Wiederaufnahmen durch Sicherstellung einer bedarfsgerechten poststationären Versorgung als Beitrag des Case Managements zur Wertschöpfung zu nennen.
  • Das Case Management ist eine multiprofessionelle Aufgabe, in der jede Berufsgruppe ihre inhaltlichen Qualitätsstandards einbringen muss.
  • Langfristig kann nur eine enge Kooperation und Abstimmung zwischen allen Berufsgruppen und den Sektoren zu einer befriedigenden Lösung führen, denn ein Case Management, das nur auf die Senkung der Verweildauer zielt, greift betriebs- und volkswirtschaftlich gesehen zu kurz.
  • Insbesondere für chronisch Kranke, hochbetagte und pflegebedürftige sowie multimorbide PatientInnen muss eine tragfähige Perspektive im Rahmen der sektorenübergreifenden Versorgung erarbeitet werden. Nur so kann die wiederholte und zum Teil vermeidbare Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen reduziert werden
Publikation der Maßnahme
  • Peer, S.: Geschärfter Blick für das Ganze. Krankenhaus umschau 1/2007, S. 32-34
  • PEER, S. (2006). Möglichkeiten der Prozessoptimierung durch Case Management bei der Versorgung der Patienten im Krankenhaus. In: Dieffenbach, S., et al. (Hrsg.). Management Handbuch Pflege. Heidelberg: Economica Loseblattausgabe (Grundwerk).