Aufbau einer „Ambulanz chronische Wunden“

Am Kreiskrankenhaus Frankenberg wurde eine pflegerisch geleitete „Ambulanz chronische Wunden“ eingerichtet. Dies ist ein Beispiel dafür, dass auch in einem eher kleinen Krankenhaus ein solches Projekt realisierbar ist. 2012 vom Wundsiegel ICW e. V. zertifiziert, hat die Ambulanz ihren Schwerpunkt auf einer regionalen Vernetzung und Koordination verschiedener Dienste entwickelt.

Datum:

08.07.2014

Ort:

Kreiskrankenhaus Frankenberg gGmbH

Interviewpartner:

Ida Verheyen-Cronau

Themenkategorie:

„Neue Arbeitsteilung und Prozessgestaltung“

Maßnahme:

Aufbau einer „Ambulanz chronische Wunden“

Projektanlass
Die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden erfolgte ursprünglich uneinheitlich. Angeregt durch bundesweite Anstrengungen, die darauf abzielen, die Versorgung von Menschen mit chronischen Wunden zu verbessern und die u. a. zur Gründung der „Initiative Chronische Wunde e. V.“ (ICW e. V.) führte, engagierte sich eine Angehörige des Pflegeberufes (Lehrerin für Pflegeberufe, Praxisanleiterin) mit dem Ziel, ein systematisches, pflegerisches Wundmanagement zu entwickeln. Durch verschiedene Schulungen wurde das pflegerische Know-how entwickelt, eine Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten initiiert, eine systematische Vorratshaltung von Verbandsmaterial angestoßen und so schrittweise ein Wundmanagement aufgebaut. Dieses Angebot galt primär nur für stationäre Patienten. Nach der Entlassung konnten diese Patienten nicht weiter behandelt werden, da für eine ambulante Versorgung keine rechtlichen Voraussetzungen bestanden. Als von den entlassenen Patienten jedoch mehrfach der Wunsch geäußert wurde, auch ambulant vom Wundteam weiterbehandelt zu werden, beantragte die Leiterin des Wundteams ein Projekt  mit dem Ziel, eine „Ambulanz chronische Wunden“ aufzubauen, die über angemessene Räumlichkeiten verfügt sowie eine Klärung der Kompetenzen hinsichtlich der Behandlungsrichtlinien. Diese Ambulanz sollte zuständig sein für alle stationär aufgenommenen Patienten mit chronischen Wunden sein und darüber hinaus auch ambulant Patienten versorgen.

Projektumsetzung
Das Projekt Aufbau einer „Ambulanz chronische Wunden“ nutzte  bestehende Strukturen auf. Von einem Wundteam, welches anfangs mit einem „Köfferchen“ über die Stationen lief, wurde eine Ambulanz, die in eigenen Räumlichkeiten professionelle Wundbehandlung durchführt. Der Entwicklungsprozess dauerte ungefähr sechs Jahre und umfasste neben spezifischer Qualifizierung der Mitarbeiter des Wundteams, Abstimmungen hinsichtlich der Wundversorgung und des Verbandmaterials, intensive Überzeugungsarbeit bei ärztlichen und pflegerischen Mitarbeitern sowie Netzwerkarbeit.

Der Raum wurde auf höchstem technischen und hygienischen Niveau eingerichtet. Dort ist unter anderem eine ultraschallassistierte Wundreinigung möglich oder eine Wunddusche mit durch einen Sterilfilter gereinigtem Wasser durchführbar. Mit multiresistenten Bakterien wie dem MRSA-Erreger (Methicillin-Resistenter Staphylococus Aureus) identifizierte Patienten werden in einem gesonderten Raum behandelt, der mit einem eigenen Zugang ausgestattet ist. Seit ca. 2009 können Patienten, die von einem Facharzt überwiesen werden, in der Wundambulanz behandelt werden. Im Wundteam arbeiten vier pflegerische Wundexperten mit Zusatzqualifikation nach der Initiative Chronische Wunden e. V. (ICW e. V.), welche zudem alle langjährige chirurgische Erfahrung haben. Die Leiterin des Wundteams hat zusätzlich die Ausbildung zur „Pflegetherapeutin Wunde ICW“absolviert. Während der Sprechzeiten der „Ambulanz chronische Wunden“ ist im Hintergrund der ebenfalls einschlägig weitergebildete Oberarzt (Chirurg) ansprechbar, der bei offenen Fragen gerufen werden kann.

Neuerdings wurde die Ambulanz an das MVZ des Krankenhauses angeschlossen und es gibt eine festangestellte Arzthelferin in Teilzeit, welche für die Administration zuständig ist.

Projektbeurteilung
Die zertifizierte, pflegerisch geleitete „Ambulanz chronische Wunden“ zeichnet sich durch besondere Merkmale aus: Die Pflegenden verstehen sich als Koordinatoren, welche die Patienten im gesamten Verlauf betreuen. Auch wenn die Patienten ggf. wegen eines anderen Problems in stationäre Behandlung müssen, werden sie vom Wundteam betreut. Auf Rezidive kann mit großer Flexibilität sofort reagiert werden. Gleichzeitig wird die Einbindung aller angrenzenden Disziplinen, wie Chirurgie, Sanitätshaus, Apotheke, Dermatologie, Radiologie und ambulante Pflegedienste, vom Wundteam koordiniert. Voraussetzung dafür ist eine systematische Netzwerkarbeit, wie sie auch vom ICW e. V. Wundsiegel erwartet wird.

Eine Auftaktveranstaltung für ein regionales Versorgungsnetzwerk fand bereits statt. Die „Ambulanz chronische Wunden“ ist in der Region gut bekannt und akzeptiert, sie wird Patienten sowohl von Hausärzen und Fachärzten als auch von Krankenkassen empfohlen. Ca. 40 vom Fachärztlichen Dienst überwiesene Patienten werden im Jahr hier behandelt, beraten und begleitet. Bisher kann die Ambulanz allerdings nicht kostendeckend arbeiten. Dass die Patienten nur von Fachärzten überwiesen werden können, wird als Manko empfunden. Für eine Krankenkasse sind inzwischen Abrechnungsmöglichkeiten geschaffen worden, durchgehende Verträge zur Integrierten Versorgung (IV) werden angestrebt. Zukünftig wird die Kostenabrechnung der Ambulanz über das an das Krankenhaus angegliederte Medizinisches Versorgungszentrum erfolgen.

Die Akzeptanz im eigenen Haus ist hoch, gleichwohl konnten Vorbehalte noch nicht vollständig ausgeräumt werden. Das Ziel, einen Standard zu etablieren, der besagt, dass alle Patienten mit chronischen Wunden einmal der Wundteam vorgestellt werden müssen, konnte noch nicht ganz erreicht werden. Ca. 90 % der Patienten mit chronischen Wunden werden in der Ambulanz gemeldet. Insgesamt kann die „Ambulanz chronische Wunden“ im letzten Jahr ca. 1.000 Patientenkontakte aufweisen. Als weitere Besonderheit der Wundambulanz ist die Nähe zum Schulzentrum für Pflegeberufe zu nennen. Die Mitarbeit der Schüler an einer Studie zur Wirksamkeit von Kompressionsverbänden ermöglichte ihnen einen Zugang zur Professionalisierung der Pflege durch Theorie-Praxis-Transfer auf hohem Niveau. Für die Erstellung eines Posters zur Studie wurde dem Studienteam, zu dem neben Frau Kerstin Protz und Kristina Heyer (beide aus Hamburg) auch Frau Verheyen-Cronau zählte, der „Deutsche Wundpreis der ICW e. V.“ (3. Platz) verliehen.

Name des Krankenhauses
AnschriftKreiskrankenhaus Frankenberg gGmbH
Forststraße 9
35066 Frankenberg
KlinikleitungÄrztlicher Direktor:
Dr. med. Dieter Wagner

Pflegedienstleiter:
Peter Schüpp

Geschäftsführer:
Christian Jostes
Ansprechpartner der MaßnahmeIda Verheyen-Cronau
Tel: 06451 / 55- 511 oder 55- 261
i.verheyen-cronau@krankenhaus-frankenberg.de
Struktur- und Leistungsdaten
Zahl der vollstationären Planbetten223
Anzahl der ärztlichen MitarbeiterInnen60 (Personen)
Gesundheits- und KrankenpflegerInnen128 (Pers. im Pflegedienst KKH)
Gesundheits- und KinderkrankenpflegerInnenkeine
Projektmotivation/-vorbereitung

Ausgangslage

  • PatientInnen, die das hausinterne Wundmanagement im Krankenhaus erlebten, fragten nach der Möglichkeit einer Weiterbehandlung nach Entlassung.
  • Es fehlten Klärungen hinsichtlich Kompetenzen und rechtlichen Möglichkeiten. Es standen keine Räumlichkeiten für die Wundbehandlung zur Verfügung.

An der Planung beteiligte Berufsgruppen/Personen

  • Wundmanagerin, Chirurgen, Pflegedienstleitung, Praxisanleiterin, EDV-Team, Geschäftsleitung, Einkaufsabteilung

Externe Projektförderung

  • keine
Projektumsetzung

Ziele

  • Alle PatientInnen mit chronischen Wunden werden umfassend von einem Wundmanagementteam versorgt. Es wird ein Konsiliardienst angeboten. Behandlungsrichtlinien werden auf die PatientInnen individuell zugeschnitten. PatientInnen werden auch nach Entlassung aus der Klinik vom Wundteam weiter ambulant versorgt.

Zielgruppe

  • PatientInnen mit chronischen Wunden

Elementare Konzeptbestandteile

  • Patientenorientierung; Autonomie der PatientInnen; Systematische Arbeit; Kompetenzerweiterung durch Fortbildungen; adäquate technische und räumliche Ausstattung; Koordination der Einbindung von Fachärzten; Vermittlung von Paralleldiensten (Podologie, Orthopädieschuhmacher, Home care, Schmerztherapie)

Verfahren

  • Das Wundteam führt für alle Stationen Konsile durch. Ärztlich unterschriebener Konsilanforderungsschein bedeutet, dass die Wundversorgung an das Wundteam übergeben wird. Es gibt feste Sprechstundenzeiten in den Räumen der Ambulanz. Ein chirurgischer Oberazt ist im Hintergrund, der bei Bedarf hinzugerufen wird. Externe PatientInnen werden vom Facharzt überwiesen.

Anfängliche Akzeptanz

  • Einerseits Wertschätzung für die Arbeit, andererseits Widerstand von ärztlicher, pflegerischer und kaufmännischer Seite.

Projektverlauf

  • Die Ambulanz chronische Wunden wurde über einen längeren Zeitraum entwickelt:
  • 2004 Konzepterstellung für ein umfassendes Wundmanagement
  • Durchführung von Initialveranstaltungen und Fortbildungen
  • Gründung einer Arbeitsgruppe mit den ambulanten Pflegediensten
  • Entwicklung eines einheitlichen Dokumentationssystems
  • Einrichtung und Ausstattung eines Ambulanzraumes

Projektdauer

  • 2004 bis 2010

Projektgruppe

  • Leiterin der Ambulanz chronische Wunden, Praxisanleiterin, MitarbeiterInnen im Wundteam
Projektbeurteilung

Ausgangsanalyse

  • Die Wundversorgung von PatientInnen war intern und nach Entlassung nicht auf dem neuesten Stand.

Evaluation der Maßnahme

  • Stetiges Verbesserungsstreben im Wundteam

Evaluationsergebnisse

  • Ca. 1000 PatientInnenkontakte im Jahr (stationär und ambulant)
  • Ca. 40 ambulante PatientInnen im Jahr

Zielerreichungsgrad

  • ca. 90% der hausinternen Fälle werden in der Ambulanz vorgestellt

Rückblickend besonders erfolgreich/gelungen

  • Der Aufbau der Ambulanz lebte von der Kompetenzentwicklung und einer wertschätzenden Haltung den PatientInnen gegenüber.

Rückblickend erfolglos/nicht gelungen

  • PatientInnen können nicht direkt vom Hausarzt überwiesen werden. Der Expertenstatus des Wundteams wird weiterhin nicht gänzlich akzeptiert.

Rückblickend anders machen

  • Die gesamten Entwicklungsschritte waren zu der jeweiligen Zeit genau richtig.

Förderliche Faktoren

  • Langjährige informelle Kontakte, persönliches Engagement, Rückendeckung durch die Pflegedienstleitung, Geschäftsleitung und den Chefarzt der chirurgischen Abteilung.
Eingeführte Maßnahme

Größte Auswirkung

  • Klare Aufgabenteilung und Zusammenarbeit zwischen Pflege und Ärztinnen/Ärzten im Wundmanagement.
  • Fachliches Niveau der Wundversorgung wurde im gesamten Haus angehoben.
  • Die Ambulanz wirkt sich auf das Krankenhaus mit einer positiven PatientInnenbindung und -gewinnung aus.

Größte Veränderung

  • Pflegende sind auch im diagnostischen Bereich tätig
  • Spezifisch qualifizierte Pflegefachpersonen formulieren verbindliche Behandlungsvorgaben.