Lernen mit der CARO-Lernumgebung (CAre Reflection Online)

Das Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen hat gemeinsam mit Projektpartnern eine digitale Lernumgebung für die Pflegeausbildung entwickelt.

Datum:

12.09.2020

Ort:

Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen; Bildungszentrum für Pflege, Heidekreis Klinikum Walsrode

Interviewpartner:

Dr. Claudia Schepers, Claudia Langrehr

Themenkategorie:

Umsetzung der Konzertierten Aktion Pflege

Maßnahme:

Lernen mit der CARO-Lernumgebung (CAre Reflection Online)

Projektanlass

In den vergangenen Jahren ist zu beobachten, dass Pflegebildungseinrichtungen vermehrt digitale Lernplattformen nutzen, um Auszubildenden zeit- und ortsunabhängige Lernangebote zur Verfügung zu stellen. Diese Lehr-/Lernangebote sind bislang weitgehend statisch und werden nicht systematisch, sondern nur punktuell in den Pflegeunterricht eingebunden. Webbasiertes Lernen wird noch kaum genutzt.

Im Rahmen des vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und ESF Europäischer Sozialfonds für Deutschland geförderten Projektes „CAre Reflection Online (CARO)“ wurde an der Universität Bremen deshalb eine Software-Anwendung entwickelt, die in die Präsenzlehre der Pflegeausbildung integriert werden kann und digitale Lehr-/Lernprozesse fördern soll.

Projektumsetzung

Neu ist dabei, dass die Medien Foto und Film zur Förderung hermeneutischer und reflektiver Kompetenzen eingesetzt werden. Die Grundlage für die Entwicklung der drei pflege- und mediendidaktisch fundierten multimedialen Lehr-/Lernmodulen, die sich thematisch auf die Pflege von Menschen mit Demenz, die Förderung gewaltfreien pflegerischen Handelns und die Pflege von Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund beziehen, stellen konkrete, im pflegeberuflichen Alltag problematische Fallsituationen, die filmisch in verschiedenen Varianten und Verläufen aufbereitet wurden. Die Entwicklung fand über den Design-Based-Research-Ansatz statt und wurde mittels iterativer Testzyklen auf die Bedarfe der potenziellen Nutzerinnen und Nutzer angepasst. Die Lernsituationen können für den Pflegeunterricht verwendet werden. Sie verwenden drei zentrale Bildungsdimensionen: die Fähigkeit zur Problemlösung mittels wissenschaftsbasierten Regelwissen und regelbegleitendem Handeln, die Fähigkeit zum Selbst- und Fremdverstehen und zur Verständigung und die Fähigkeit zur kritischen Reflektion.

Des Weiteren wurde eine an die Bedürfnisse der Lernenden und Lehrenden angepasste computergestützte, multimediale Lernumgebung für die Pflegeausbildung konzipiert und im Rahmen eines Classroom Learning Interaction Systems (CLIS) nutzbar gemacht.

Die interaktiven Prozesse werden durch insgesamt drei Anwendungsmodule ermöglicht: das Dashboard, welches die Lehrenden über ihren Computer bedienen und somit den Unterricht gestalten können. Das führt dazu, dass sie Arbeitsaufträge versenden oder Kurse anlegen und durch Einsehen der Lernsituationen, die Lernvoraussetzungen anpassen können. Hierbei sind die Lehr-/Lernangebote nach dem Baukastenprinzip konzipiert. Es können vollständige Lernsituationen, einzelne Sequenzen oder auch nur Aufgabenstellungen oder andere Materialien genutzt werden.

Die Mobile App (Lernenden-App) können die Lernenden auf ihrem eigenen mobilen Endgerät nutzen. Hierdurch werden sie in Form von Arbeitsaufträgen in die Interaktion eingebunden und können diese Ergebnisse zurück an den Lehrenden senden.

Das Präsentations-Board (Beamer-App) dient zur Darstellung der Ergebnisse. Diese werden mittels eines Beamers oder eines Interactive Whiteboards visualisiert.

Mit CARO ist es außerdem möglich, multimediale Lerninhalte in Form von Texten, Grafiken, Erklärvideos etc. bereitzustellen und auf diese Weise sowohl das Lernen an den Lernorten Pflegeschule und Pflegeeinrichtung zu verknüpfen als auch die lernbezogene direkte und virtuelle Interaktion zwischen den Auszubildenden zu unterstützen.

Projektbeurteilung

Die Verknüpfung von digitalem und analogem Unterricht bedeutet für die Lehrenden eine Umstellung der Unterrichtsmethoden und eine besondere Herausforderung im Präsenzunterricht, da sie nun ihre Aufmerksamkeit zwischen den Unterrichtsinhalten, den Schülern und der Technik teilen müssen. Trotz der Verwendung von digitalen Instrumenten, erfahren die Anwender im analogen Unterricht eine Förderung der Kommunikation. Denn anders als im traditionellen Unterrichtsgespräch, in dem sich nur einzelne Auszubildende beteiligen, können mit CARO die Beiträge aller Auszubildenden sichtbar gemacht werden. Des Weiteren wird die Medienkompetenz der Schüler gefördert und durch die besondere Lernunterstützung werden ihre Lernprozesse komplexer und reflektiver. Zudem lassen sich durch den Einsatz vielfältiger Materialien (bspw. Videos, Audios, Website-Verlinkungen, etc.) auch komplexe Themengebiete leichter erfassen.

Es existieren Planungen, Gruppentools und ein Tool für kollegiale Beratung zu integrieren und die bisherigen Methoden (z.B. Metaplan Abfragen, bipolare Slider, Freitext, Erstellung von Videos) zu erweitern.

Aktuell wird bereits im vom BMBF geförderten Anschlussprojekt „CAROplusOnko“ die CARO-Anwendung zur Förderung der kommunikativen Kompetenz in der onkologischen Fachweiterbildung weiterentwickelt. Die CARO-Lernumgebung soll zukünftig auch über Lernorte hinweg nutzbar sein, um diese besser zu verknüpfen (z.B. in Fachweiterbildungen). Das Projekt läuft noch bis September 2022.

Name der Einrichtung
AnschriftUniversität Bremen
Human- und Gesundheitswissenschaften (FB 11)

Grazer Straße 4
28359 Bremen
LeitungProjektleitung:
Prof. Dr. Ingrid Darmann-Finck
Projektteil Medienentwicklung und –gestaltung:
Prof. Dr. Karsten D. Wolf
Anschrift (Bildungseinrichtung)Bildungszentrum für Pflege
Saarstraße 16
29664 Walsrode
LeitungSchulleitung: Ulrike Kempe
Webseitehttps://blogs.uni-bremen.de/caroprojekt/
Ansprechpartner der MaßnahmeDr. Claudia Schepers
Universität Bremen, Human- und Gesundheitswissenschaften (FB11)
E-Mail: schepers@uni-bremen.de

Claudia Langrehr
Bildungszentrum für Pflege
Heidekreis Klinikum Walsrode
Projektmotivation / -vorbereitung

Ausgangslage

  • An Pflegeschulen werden digitale Medien und vielfältige E-Learning-Materialien inzwischen vermehrt genutzt, allerdings werden die Potenziale des E-Learning nicht ausgeschöpft.
  • Die Lehr-/Lernangebote sind bislang weitgehend statisch, sie werden nicht systematisch, sondern nur punktuell in den Pflegeunterricht eingebunden. Webbasiertes Lernen wird bislang kaum genutzt.
  • Am Institut für Public Health und Pflegeforschung an der Universität Bremen wollte man aus pflegedidaktischer Perspektive daher die Pflegeausbildung verbessern: Digitales Lernen sollte in den Unterricht integriert und die Medienkompetenz der Schüler erhöht werden.
  • Das didaktische Konzept wurde am Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen entwickelt auf Basis der Interaktionistischen Pflegedidaktik von Prof. Darmann-Finck.
  • Die technische Umsetzung und Gestaltung erfolgte maßgeblich im Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften unter der Leitung von Prof. Wolf.

Am Projekt beteiligte Berufsgruppen/Personen

  • Universität Bremen, Fachbereich 11: Human- und Gesundheitswissenschaften sowie Fachbereich 12: Erziehungs- und Bildungswissenschaften
  • Kooperationspartner: Krankenpflegeschule am Ev. Krankenhaus Oldenburg, Bildungszentrum der Bremer Heimstiftung, Bremer Krankenpflegeschule der freigemeinnützigen Krankenhäuser e.V., Theater der Versammlung

Externe Projektförderung und Kooperationen

  • Förderung durch Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Europäischer Sozialfonds der Europäischen Union (ESF)
Projektumsetzung

Projektziele

  • Entwicklung, Implementation und Evaluation einer digitalen Lernumgebung an der Schnittstelle zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung.
  • Das neue Medium für die Pflegeausbildung sollte innovativ, computergestützt, fallbasiert, multimedial und interaktiv sein
  • Langfristig: Erhöhung der Attraktivität und Aufwertung der Pflegeaus-, fort- und weiterbildung
  • Verbesserung der Medienkompetenz der Lehrenden und Lernenden
  • Erhöhung der Flexibilität aufgrund von zeit- und ortsunabhängigen Lehr-/Lernangeboten

Maßnahmen im Vorfeld

  • Die Entwicklung fand über den Design-Based-Research-Ansatz statt: Mithilfe iterativer Testzyklen wurde die Anwendung auf die Bedarfe der potenziellen Nutzer angepasst.
    • In der ersten Testphase wurden die Bedarfe und Vorschläge der Mitarbeiter anhand von Workshops und Experteninterviews erhoben.
    • In der zweiten Projektphase wurden ausgewählte Lernsequenzen im Ausbildungskontext getestet und evaluiert. Die Evaluation dieser Testläufe erfolgte hinsichtlich der Inhalte und der technischen Ebene.
    • In der dritten Phase wurden die Lernsequenzen auf Basis der Evaluationsergebnisse weiterentwickelt.
  • Drei konkrete, im pflegeberuflichen Alltag problematische Fallsituationen wurden filmisch in verschiedenen Varianten und Verläufen aufbereitet:
    • Transkulturelle Pflege (sieben Sequenzen, 30 Unterrichtsstunden: Einbindung von Angehörigen in pflegerische Alltagshandlungen, Unvereinbarkeit von Vorstellungen und Erwartungen der beteiligten Personen mit den Gegebenheiten vor Ort),
    • Ungewissheit im pflegerischen Handeln (sieben Sequenzen, 26 Unterrichtsstunden: Pflege von Menschen mit Demenz oder Schmerzen),
    • Gewaltfreies bzw. freiheitsförderliches Handeln (sieben Sequenzen, 18 Unterrichtsstunden: Einleitung durch Film „Ungewissheit“, jedoch mit offenem Ende, sodass Thema der Lernsituation selbst bestimmt werden kann)
  • Die Lernsituationen können für den Pflegeunterricht verwendet werden. Sie verwenden drei zentrale Bildungsdimensionen:
    1. die Fähigkeit zur Problemlösung mittels wissenschaftsbasiertem Regelwissen und regelgeleitetem Handeln
    2. die Fähigkeit zum Selbst- und Fremdverstehen und zur Verständigung in komplexen Pflegesituationen
    3. die Fähigkeit zur Identifikation und kritischer Reflexion beruflicher, institutioneller und gesellschaftlicher Widersprüche.

Eingeführte Maßnahmen

Die CARO-Lernumgebung besteht aus einem digitalen Classroom-Learning-Interaction-System (CLIS) mit drei grundlegenden APPs:

  • Das Dashboard wird von den Lehrenden über ihren Computer bedient (Unterrichtsgestaltung)
    • Arbeitsaufträge können ausgewählt, modifiziert oder ganz neu konzipiert werden
    • Arbeitsaufträge können versendet oder Kurse anlegt werden
    • Einsehen in die Lernsituationen und Anpassung der Lernvoraussetzungen
    • Hierbei sind die Lehr-/Lernangebote nach dem Baukastenprinzip konzipiert. Es können vollständige Lernsituationen oder einzelne Sequenzen genutzt werden.
  • Die Mobile App (Lernenden App) wird von den Lernenden auf ihrem eigenen mobilen Endgerät oder den Geräten der Ausbildungseinrichtung genutzt
    • Hierdurch werden sie in Form von Arbeitsaufträgen in die Interaktion eingebunden und anders, als im traditionellen Unterrichtsgespräch, werden alle Auszubildenden aufgefordert, sich aktiv zu beteiligen
    • Ergebnisse werden direkt zurück an den Lehrenden gesandt
  • Das Präsentations-Board (Beamer-App) dient zur Darstellung der Ergebnisse. Diese werden mittels eines Interactive Whiteboards visualisiert.

Jeder kann CARO in einer cloudbasierten DEMO-Version (Software as a Service) ansehen, ausprobieren und auch schon eigene Unterrichte vorbereiten und testen. Alle im Projekt entwickelten Unterrichte inklusive Artikulationsschemata und Unterrichtsmaterialien sind unter der Creative Commons Lizenz CC 0 verfügbar und können kostenfrei heruntergeladen werden.

Projektbeurteilung
  • Umstellung der Unterrichtsmethoden und Herausforderung für Lehrende: z.B. geteilter Fokus zwischen Unterrichtsinhalten, Schülern und Technik
  • Förderung der Kommunikation im analogen Unterricht
  • Lernprozesse der Schüler werden komplexer und reflektiver; Schüler folgen dem Unterricht mehr, zeigen mehr Aufmerksamkeit und Mitarbeit
  • Schüler haben deutlich Spaß an den neuen Unterrichtsformaten
Zukünftige Planungen / Weiterentwicklungen
  • Planungen, Caro auch über Lernorte hinweg zu nutzen, um Lernorte besser zu verknüpfen (z.B. in Fachweiterbildungen)
  • Mögliche Integration von Gruppentools und Tool für kollegiale Beratung
  • Erweiterung der bisherigen Methoden (bisher z.B. Metaplan Abfragen, bipolare Slider, Freitext, Erstellung von Videos)

Im Folgeprojekt CAROplusOnko steht die Förderung der kommunikativen Kompetenz im Rahmen der onkologischen Fachweiterbildung im Fokus. Auf Basis eines eigens entwickelten Mustercurriculums (anknüpfend an das Nationale Mustercurriculum Kommunikative Kompetenz in der Pflege (NaKomm)) werden ausgewählte Lernsequenzen und übergeordnete Tools konzipiert (bspw. Gruppentools), die vor allem auch lernortübergreifende Lehr-/Lernarrangements ermöglichen und damit größtmögliche Flexibilität für die Weitebildungsteilnehmenden bieten.