Link Nurses am Klinikum Heidenheim

Für einen besseren Schutz vor Infektionen mit Krankenhauskeimen verfolgt das Klinikum Heidenheim einen ganzheitlichen Ansatz. Link Nurses (Hygienebeauftragte in der Pflege) spielen dabei eine entscheidende Rolle. Ihr Einsatz in Heidenheim geht weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.

Datum:

15.10.2019

Ort:

Kliniken Landkreis Heidenheim gGmbH

Interviewpartner:

Hans Eberhardt, Infektiologie, Station C2 i

Themenkategorie:

„Neue Arbeitsteilung und Prozessgestaltung“

Maßnahme:

Link Nurses am Klinikum Heidenheim

Projektanlass
Postoperative Wundinfektionen sind eine potenziell schwerwiegende Komplikation bei operativen Eingriffen. Viele dieser Infektionen werden von multiresistenten Erregern verursacht. Für Krankenhauspatienten stellen diese Keime ein erhöhtes Risiko dar. Bei Patienten, die für einen geplanten operativen Eingriff in ein Krankenhaus kommen, kann durch eine gezielte Maßnahme die Keimlast bereits vorab reduziert, im Optimalfall eliminiert werden, was wiederum die Sicherheit aller Patienten eines Krankenhauses erhöhen würde.

Projektumsetzung
Im Klinikum Heidenheim ist das Institut für Krankenhaushygiene zentraler Ansprechpartner für Hygienethemen jeglicher Art. Dem Institut gehören vier Hygienefachkräfte an, zu deren Aufgaben unter anderem die Überwachung der Einhaltung von Hygienevorschriften, die Beratung von Mitarbeitern und die Erfassung von Infektionen gehört. Zusätzlich erstellen sie Hygiene-, Reinigungs- und Arbeitspläne. Neben dem Institut für Krankenhaushygiene ist die Hygienekommission seit vielen Jahren im Klinikum etabliert. In dieser sind neben vielen anderen auch die hygienebeauftragten Ärzte der Fachabteilungen vertreten. Ein wichtiges Bindeglied zwischen diesen Strukturen und der Praxis, den Pflegenden auf den Stationen, stellen in Heidenheim die Hygienebeauftragten in der Pflege, die sogenannten Link Nurses, dar. Sie sind die eigentlichen Multiplikatoren vor Ort und tragen zu einer Verbesserung der Hygienequalität und des Infektionsschutzes bei. Mittlerweile gibt es seit ihrer Einführung im Jahr 2012 mindestens eine Link Nurse pro Station, drei in der Zentralen Notaufnahme und auf sensitiven Stationen, wie z.B. der Onkologie oder Pneumologie mindestens zwei Hygienebeauftragte. Insgesamt arbeiten im Klinikum Heidenheim derzeit 80 Link Nurses. Das langfristige Ziel ist, eine Link Nurse pro Schicht zu haben.

Die Aufgabe der Link Nurses ist es, Schwachstellen in der Alltagsroutine zu identifizieren und dafür zu sorgen, hygienisch korrekte Prozesse in ihrem Verantwortungsbereich zu etablieren und zu schulen. Insbesondere sind die Link Nurses unverzichtbar, wenn es um die flächendeckende Etablierung von Hygienestandards und deren Weiterentwicklung geht. Dafür erhalten sie eine auf die Bedürfnisse in Heidenheim abgestimmte 2-tägige Weiterbildung. Darin wird neben mikrobiologischen und epidemiologischen Grundlagen gelehrt, wie sich nosokomiale Infektionen etwa der Atemwege oder von Wunden vermeiden lassen, was im Umgang mit infektiösen Patienten und bei Reinigung sowie Desinfektion zu beachten ist. Zusätzlich gibt es für die Link Nurses viermal jährlich 90-minütige Workshops. Workshopinhalte ergeben sich durch saisonale Ereignisse, wie Influenza und Noro-Viren, oder auch durch aktuelle Geschehnisse. Beispielhaft ist hier der Corona-Virusausbruch in China 2019/2020 und die sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen innerhalb eines gelebten MRE-Netzwerks zu nennen. Außerdem kommen die Themen direkt aus dem MRE-Netzwerk mit der Kreisärzteschaft und dem regionalen Gesundheitsamt.

Bisher wurden in Heidenheim rund 200 Teilnehmer geschult, davon 40 % aus dem Klinikum und 60 % Externe. Externe Teilnehmer stammen überwiegend aus Nachsorgeeinrichtungen oder Pflegeheimen. Im Projekt STAUfrei wurden des Weiteren rund 150 Medizinische Fachangestellte aus 53 Arztpraxen geschult. STAUfrei steht für „Prästationäre Detektion und Sanierung zur Vermeidung von Staphylococcus-aureus-Komplikationen bei elektiven Patienten“ im Klinikum Heidenheim. Das vom Innovationsfonds finanzierte Forschungsprojekt läuft bis 2021.

Im Rahmen des Projekts werden Patienten, die zu einem geplanten Eingriff ins Klinikum Heidenheim gehen, vor dem Eingriff von ihrem behandelnden Arzt auf den Staphylococcus aureus getestet. Als sogenannter „Krankenhauskeim“ ist insbesondere der gegen das Antibiotikum Methicillin resistente MRSA bekannt. Die meisten dieser Keime kommen jedoch von außen in Krankenhäuser. Deshalb ist es sinnvoll, Patienten bereits vor einem stationären Aufenthalt zu testen und bei einem Fund vom Keim zu befreien. Wenn sich ein Patient als Keimträger herausstellt, wird mit Hilfe eines Desinfektionssets der Keim von zu Hause vor der Krankenhausaufnahme saniert. Um dieses Vorgehen zu evaluieren, erhalten diese Patienten einen Fragebogen zur Verträglichkeit der Desinfektionsmaßnahme. Um Infektionen auch nach der OP zu vermeiden, werden Patienten bei STAUfrei auch nach dem Krankenhausaufenthalt weiter betreut. Dazu erhalten sie bei Behandlungsbeginn einen Patientenpass, der allen an der Behandlung beteiligten Ärzten zeigt, wie der Behandlungsstatus des Patienten aussieht. Die Links Nurses haben auch hier insbesondere sektorenübergreifend als „schneller Kommunikationsweg“ eine besondere Bedeutung bei der Prävention nosokomialer Infektionen und der Umsetzung hygienischer Maßnahmen.

Projektbeurteilung
Auch Dank der Link Nurses gab es bei den Influenza-Wellen der letzten Jahre eine gute Patientensteuerung. Die Link Nurses kümmern sich um Patienten und klären diese auch auf, z.B. über persönliche Hygiene. Aufgrund des Netzwerkes sind auch das Problembewusstsein und die Kommunikation in der Fläche mittlerweile sehr gut. Die aktuell weltweit grassierende SARS-CoV-2 bzw Covid-19 Epidemie, bestätigt die Heidenheimer HAI Strategen (Hospital-Acquired-Infektion) welche zentrale Bedeutung der vernetzten Zusammenarbeit innerhalb eines regionalen Gesundheitssystems zukommt und zeigt die Sinnhaftigkeit des Link Nurse Systems als ein ganz zentrales Instrument.

Name des Krankenhauses
AnschriftKliniken Landkreis Heidenheim gGmbH
Schloßhaustraße 100
89522 Heidenheim
KlinikleitungGeschäftsführung
Udo Lavendel

Ärztlicher Direktor
Prof. Dr. Andreas Imdahl

Direktor für Pflege- und Prozessmanagement
Klaus M. Rettenberger

Kaufmännischer Direktor
René Bärreiter
Websitewww.kliniken-heidenheim.de
www.staufrei-hdh.de
Ansprechpartner der MaßnahmeHans Eberhardt, Infektiologie, Station C2 i, Medizinische Klinik I
Tel. +49 (0) 7321 33 91200
hans.eberhardt@kliniken-heidenheim.de
Struktur- und Leistungsdaten
Anzahl der Betten im gesamten Krankenhaus568
Fallzahlen des Krankenhauses/ Vollstationäre Fallzahl22.719
Ärztinnen/Ärzte insgesamt (außer Belegärzte)170
Gesundheits- und (Kinder)Krankenpfleger/-innen395
Motivation / Vorbereitung

Ausgangslage

  • Postoperative Wundinfektionen auch durch multiresistente Erreger sind ein Thema im Klinikum Heidenheim, wie in vielen Krankenhäusern

Planungen im Vorfeld

  • Seit 2007: Arbeitsgruppe „MRSA“ im Klinikum Heidenheim unter Beteiligung von Pflegemitarbeitern
  • Seit 2009: MRE-Netzwerk wurde gemeinsam mit dem Klinikum, der Kreisärzteschaft, dem regionalen Gesundheitsamt, den Pflegeheimen und ambulanten Diensten ins Leben gerufen; Treffen seitdem viermal jährlich 90 Minuten
  • Seit 2010: Öffnung nach außen durch Einbeziehung von Pflegemitarbeitern ambulanter Dienste und aus Pflegeheimen (transsektorales Arbeiten)
  • Seit 2012: bedarfsangepasste Link Nurse-Ausbildung für Klinikum und externe Kolleginnen und Kollegen

Am Projekt beteiligte Berufsgruppen/Personen

  • Geschäftsführung, Pflegedirektion, Pflegemitarbeiter, Institut für Krankenhaushygiene im Klinikum Heidenheim, Klinikärzte
  • Kreisärzteschaft Heidenheim, sowie ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen
  • Landratsamt Heidenheim, Fachbereich Gesundheit
  • STAUfrei (seit 2019): Universitätsklinikum Tübingen, Steinbeis Hochschule; der BKK Landesverband Süd, die AOK Baden-Württemberg, die IKK classic, die Knappschaft und die SVLFG. (Seit Oktober 2018 Förderung über den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss: Projekt STAUfrei)

Externe Projektförderung und Kooperationen

  • Seit April 2019 Förderung über den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss: Projekt STAU-frei
Projektumsetzung

Ziele

  • Prävention nosokomialer Infektionen
  • Breite und zuverlässige Umsetzung hygienischer Maßnahmen (sektorenübergreifendes Arbeiten)

Projektdauer

  • Seit 2007; Link Nurses in der Regelversorgung seit 2012
Eingeführte Maßnahmen
  • Entwicklung einer bedarfsangepassten Link Nurse-Ausbildung für das Klinikum Heidenheim
    • 2-tägige Weiterbildung
      • Lerninhalte: mikrobiologische und epidemiologische Grundlagen, Vermeidung von nosokomialen Infektionen etwa der Atemwege oder von Wunden, besonderer Umgang mit infektiösen Patienten sowie Besonderheiten bei Reinigung und Desinfektion
    • Viermal jährlich 90-minütige Workshops
      • Workshopinhalte ergeben sich durch saisonale Ereignisse, wie Influenza und Noro-Viren, oder auch durch aktuelle Geschehnisse. Beispielhaft ist hier der Corona-Virusausbruch in China und die sich daraus ergebenden Aufgabenstellungen innerhalb eines gelebten MRE-Netzwerks zu nennen. Außerdem kommen die Themen direkt aus dem MRE-Netzwerk mit der Kreisärzteschaft und dem regionalen Gesundheitsamt Mittlerweile gibt es mindestens eine Link Nurse pro Station, drei in der Zentralen Notaufnahme und mindestens zwei Hygienebeauftragte auf sensitiven Stationen, wie z.B. der Onkologie oder Pneumologie. Insgesamt arbeiten im Klinikum Heidenheim derzeit 80 Link Nurses. Das langfristige Ziel ist, eine Link Nurse pro Schicht zu haben.
  • Die Aufgabe der Link Nurses ist:
    • Schwachstellen in der Alltagsroutine identifizieren
    • Hygienisch korrekte Prozesse in ihrem Verantwortungsbereich etablieren und schulen
    • Flächendeckende Umsetzung von Hygienestandards und deren Weiterentwicklung
  • Bisher wurden in Heidenheim rund 200 Teilnehmer geschult, davon 40 % aus dem Klinikum und 60 % Externe. Externe Teilnehmer stammen überwiegend aus Nachsorgeeinrichtungen oder Pflegeheimen.
    • Für Klinikmitarbeiter ist Schulung kostenfrei, Externe zahlen 160 € für zweitätige Schulung und vier Workshops jährlich (lebenslang)
  • April 2019 kam Projekt STAUfrei hinzu:
    • STAUfrei steht für „Prästationäre Detektion und Sanierung zur Vermeidung von Staphylococcus-aureus-Komplikationen bei elektiven Patienten“ im Klinikum Heidenheim. Das vom Innovationsfonds finanzierte Forschungsprojekt läuft bis 2021.
    • Im Projekt STAUfrei wurden zusätzlich rund 150 Medizinische Fachangestellte aus 53 Arztpraxen geschult.
    • Im Rahmen des Projekts werden Patienten, die zu einem geplanten Eingriff ins Klinikum Heidenheim gehen, vor dem Eingriff von ihrem behandelnden Arzt auf den Staphylococcus aureus, insbesondere den gegen das Antibiotikum Methicillin resistenten MRSA getestet.
    • Wenn sich ein Patient als Keimträger herausstellt, wird mit Hilfe eines Desinfektionssets der Keim vor der Krankenhausaufnahme (5 Tage) saniert. Um dieses Vorgehen zu evaluieren, erhalten diese Patienten einen Fragebogen zur Verträglichkeit der Desinfektionsmaßnahme. Um Infektionen auch nach der OP zu vermeiden, werden Patienten bei STAUfrei auch nach dem Krankenhausaufenthalt weiter betreut. Dazu erhalten sie bei Behandlungsbeginn einen Patientenpass, der allen an der Behandlung beteiligten Ärzten zeigt, wie der Behandlungsstatus des Patienten aussieht.
    • Darüber hinaus setzt das Klinikum einen von der internen Medizininformatik entwickelten Risiko-Algorithmus ein, welcher auf Grundlage des Instituts für Krankenhaushygiene / Hygienekommission entwickelt wurde, um potenzielle Träger von multiresistenten Erregern – wie MRSA, frühzeitig zu identifizieren.
      • Jährlich werden ca. 9.500 Patienten über den Risiko-Algorithmus erkannt, davon sind 98 % ohne Befund (PCR negativ).
      • Positive MRSA Patienten erhalten nach individueller Prüfung ggf. eine Komplexbehandlung
      • Potenziell erkannte Träger werden einem Schnelltest (PCR) unterzogen, der innerhalb von ca. 60 Minuten einen Erregerausschluss oder -nachweis bringt. Bei positivem Ergebnis wird zusätzlich ein kultureller Standardnachweis durchgeführt (72 Stunden) Sonstige Erreger wie beispielsweise Norovieren oder Influenza können ebenso in Echtzeit nachgewiesen, bzw. ausgeschlossen werden.
  • Die Links Nurses haben auch hier insbesondere an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung als „schneller Kommunikationsweg“ eine besondere Bedeutung bei der Prävention nosokomialer Infektionen und der Umsetzung hygienischer Maßnahmen
Projektbeurteilung

STAUfrei Maßnahmen zur Evaluation / Evaluationsergebnisse

  • Nach dem Ende der Förderung (2021) wird das Projekt STAUfrei evaluiert:
    • Die Effekte auf die Infektionsraten im Landkreis Heidenheim werden gemessen und es wird ausgewertet, wie viele zusätzliche Kosten und welche Kosteneinsparungen entstehen.
    • Die Annahme ist, dass sich die Anzahl der Übertragungen in der Klinik reduziert, und so weniger Wundinfektionen auftreten.
    • Basierend auf dieser Evaluation bewertet der Gemeinsame Bundesausschuss in Berlin, ob das Projekt auf ganz Deutschland ausgeweitet werden soll

Rückblickend besonders erfolgreich/gelungen

  • Auch Dank der Link Nurses gab es bei den Influenza-Wellen der letzten Jahre eine gute Patientensteuerung.
  • Die Link Nurses kümmern sich um Patienten und klären diese auch auf, z.B. über persönliche Hygiene.
  • Aufgrund der Netzwerkaktivitäten zu generellen Infektionspräventionsstrategien sind zwischenzeitlich sowohl die Kommunikation als auch das Problembewusstsein deutlich gestiegen.